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und vermutlich auch gemeinsame ideologische Zielrichtung verband. Über Sper-
bers Rolle im Kalten Krieg hat Kraus festgehalten:
Auch wenn man Sperber oft gemeinsam mit Arthur Koestler und André Malraux
als fanatischen Antikommunisten, als ‚Kalten Krieger‘ kritisierte: In seinem Total-
einsatz, seiner kompromisslosen Schärfe stand er vor allem in Paris, aber auch im
westlichen deutschsprachigen Gebiet gegen den Trend in den meisten Massenme-
dien und Verlagen. Sperber kannte den Kommunismus tief von innen her, er war
vertraut mit den Mechanismen, den Methoden, den Strategien und propagandis-
tischen Tricks, den massenpsychologischen Aktionen des Kommunismus. Er kann-
te sehr genau die legalen Möglichkeiten und die illegale Sphäre der Infiltration und
Desinformation etwa im Bereich der Kultur und der Publizistik überhaupt.64
Sperber war in der Frühzeit des CCF noch im Hintergrund gewesen, hatte jedoch
gemeinsam mit Arthur Koestler das „Manifest für freie Menschen“ verfasst, das
auf der ersten Tagung des CCF in Berlin im Juni 1950 verlesen worden war. Er
gehörte u. a. neben Eugen Kogon, Denis de Rougemont und Ignazio Silone zum
Exekutivkomitee des CFF und avancierte zu einem seiner zentralen Akteure.
Dass der Verwaltungssitz des CCF 1951 nach Paris verlegt wurde, war für den
dort lebenden Exilanten Sperber von großer Bedeutung, da er sich nun „ener-
gisch in die Planungs- und Organisationsarbeit“ einbringen konnte und als
„Organisator, Kommunikator und ‚Ideenlieferant‘ gefordert“65 war.
Sperber „setzte seine ganze Energie dafür ein, gegen die Vormachtstellung
der Sowjetunion in Europa zu kämpfen“66, vor allem, als der CCF 1960 in eine
neue Phase eintrat, in der er seine Aktivitäten auf die ganze Welt ausdehnen
sollte. Sperber arbeitete bis zuletzt an den Agenden mit und war einer der weni-
gen, die auch nach dem CIA-Skandal darauf bestanden, dass die Zielrichtung
des CCF richtig und dessen Aktivitäten sinnvoll gewesen seien.
Die Aktivitäten der ÖGL, die in der ersten Hälfte der 1960er Jahre schwerpunkt-
mäßig hinsichtlich Autorinnen und Autoren aus dem Osten ausgerichtet waren
(vgl. Kapitel 3.7), dürften für den CCF von besonders großem Interesse gewesen
sein, wurde Kraus doch bald „zu einer gemeinsamen Besprechung nach Paris“
eingeladen, um sich „über das mit Herrn Bondy besprochene Projekt klar zu
64 Wolfgang Kraus: Manès Sperber und Wien. In: Stéphane Moses, Joachim Schlör, Julius H.
Schoeps (Hg.): Manès Sperber als Europäer. Eine Ethik des Widerstands. Berlin: Edition Hen-
trich 1996, S. 36–49, hier S. 42 f.
65 Vgl. Stančić: Manès Sperber, S. 463.
66 Marie Corbin-Schuffels: Von Berlin nach Berlin: Manès Sperber und der Kongreß für kultu-
relle Freiheit (1950–1960). In: Moses, Schlör, Schoeps (Hg.): Manès Sperber als Europäer,
S. 90–121, hier S. 114.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
370 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437