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ke bis 1962 in Ungarn verboten waren, stand Kraus bereits seit 1963 in Kontakt,
lud ihn im selben Jahr zu einer Lesung in die ÖGL ein, versorgte ihn mit Büchern,
die im Osten nicht erhältlich waren und schrieb an prominenter Stelle Rezensi-
onen seiner Werke.71 Als österreichische Beiträger nahmen die Schriftsteller
Fritz Habeck, Hans Lebert sowie Peter von Tramin teil. Tramin war als Ersatz
für Heimito von Doderer eingesprungen, der an Kraus geschrieben hatte, dass
die Liste der eingeladenen Persönlichkeiten „zwar ausgezeichnete Kräfte“ enthiel-
te, doch seien „darunter auch Erscheinungen, mit denen ich persönlich nicht in
Diskussion treten“72 wolle. Wen er damit im Speziellen meinte, darauf ging
Doderer nicht genauer ein.
Ein Aufeinanderprallen der ideologischen oder ästhetischen Positionen gab
es während des „Round Table“-Gesprächs nicht, wie dies etwa noch 1955 beim
internationalen P.E.N.-Kongress der Fall gewesen war, wo P.E.N.-Präsident
Charles Morgan den Ausschluss der Oststaaten gefordert hatte,73 vielmehr wur-
den Kontroversen geschickt umgangen. Kraus war darum bemüht zu zeigen,
dass ein Dialog zwischen Ost und West möglich war, aus dem beginnenden
Gespräch sollte ein dauerhafter Dialog entwickelt werden. Es wurden zwar auch
„kulturpolitische Sachverhalte angesprochen, vornehmlich standen aber die
Legitimierung der Schreibenden, der Stellenwert der literarischen Ästhetik,
Potentiale engagierter Literatur und die befürchtete Entfremdung durch kon-
kurrierende Medien (Fernsehen, Radio) auf dem Prüfstand.“74
Auch für den nächsten Kongress „Literatur als Tradition und Revolution“ erhielt
Kraus tatkräftige Unterstützung vom Pariser Büro des CCF. Kraus war sich dar-
über im Klaren, dass sein Round-Table-Gespräch davon nur profitieren konnte:
„Übrigens hat Bondy es vermocht, [Marcel] Reich-Ranicki zum Mitmachen zu
bewegen, wenn ich ihn beibehalte. Was ich natürlich tue. Der ‚Kongreß für kul-
turelle Freiheit‘ ist mächtig…“.75 Das Konzept für den Kongress stammte von
Sperber, Kraus steuerte eine Wunschliste mit Namen bei, bei denen der CCF
71 Ferenc Botka: Wolfgang Kraus und Tibor Déry. In: Bassola, Kiss (Hg.): Literatur als Brücke
zwischen Ost und West, S. 88.
72 Heimito von Doderer an Wolfgang Kraus, 26. Juli 1965, Österreichische Nationalbibliothek,
Sammlung alter Drucke und Handschriften, Sign.: Autogr. 526/65-14.
73 Vgl. Klaus Amann: P.E.N. Politik, Emigration, Nationalsozialismus. Ein österreichischer Schrift-
stellerclub. Wien, Graz, Köln: Böhlau 1984, S. 136
f.; Roman Roček: Glanz und Elend des P.E.N.
Biographie eines literarischen Clubs. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2000, S. 352 f.; sowie die
Diskussionen in Friedrich Torbergs „FORVM“, 2 (1955), H. 18 u. H. 19/20.
74 Ursula Ebel, Holger Englerth: Inszenierung: Ost Roman West. Das II. Round-Table-Gespräch
der Österreichischen Gesellschaft für Literatur: „Unser Jahrhundert und sein Roman“ (25.–27.
Oktober 1965). In: Stocker, Rohrwasser (Hg.): Spannungsfelder, S. 67–100, hier S. 69.
75 Wolfgang Kraus an Herbert Zand, Juli 1965, NL HZ, Sign.: 1/B30/4.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
372 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437