Seite - 382 - in Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
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jetischen Schriftsteller Alexander Kriwitzki zu einer Gegendarstellung, in der er
Kraus vorwarf, er habe seinen Beitrag so geschrieben, als wäre „alles, was er
anführt, allgemein bekannt und bedürfe keines Beweises“. Kraus fühle sich,
meinte Kriwitzki, in der „anormalen Situation des ‚kalten Krieges‘ pudelwohl“.120
Sperber, bei dem sich Kraus über die Rezension seiner Werke beschwerte, kom-
mentierte, dass dies „Gottes gerechte Strafe“ sei, da er „viel zu guetig und verge-
bungsvoll gegenueber den Zuhaeltern des Stalinismus gewesen“121 sei.
Der CCF, der sich mit den Jahren zu einer transnationalen Plattform für libera-
les Denken und zur Schnittstelle zwischen den politischen Blöcken entwickelt
hatte, erreichte in der Zeit zwischen 1964 und 1966 seine größte Verbreitung.
Er geriet jedoch in eine Phase der Turbulenzen und Destabilisierung, sein
unrühmliches Ende fand er 1967, als durch einen Artikel in der „New York
Times“, die Finanzierung durch die CIA bekannt und die US-amerikanische aus-
wärtige Kulturpolitik entlarvt wurde.
Obwohl nicht davon auszugehen ist, dass Kraus zum „inneren Kreis“ des CFF
gehörte, hatte Sperber noch Anfang Jänner 1967, wenige Monate vor dem Skan-
dal, ein Treffen mit Michael Josselson in Genf arrangiert: „Das Gespräch mit
Ihnen war mir ungemein wichtig, und ich danke Ihnen sehr für die Einladung,
die mir Gelegenheit gab, Sie persönlich kennenzulernen. Herr Sperber ist ja nun
in Wien, und wir werden sicher über manche der angeschlagenen Themen wei-
tersprechen“122, schrieb Kraus an Josselson.
François Bondy hatte die Enthüllung „mächtig irritiert“, denn er ging davon
aus, dass das Geld „von den amerikanischen Gewerkschaften“ gekommen wäre:
„Wir sind reingelegt worden, weil wir davon ausgingen, völlig unabhängig zu
sein.“123
Auch für Sperber war der Skandal um den CCF eine große persönliche Ent-
täuschung. Gegenüber Michael Josselson äußerte er sich die Aufarbeitung dieses
Skandals betreffend Jahre später:
In dem dritten Band meiner Erinnerungen, an dem ich arbeite […], spreche ich
auch vom Kongress, bekenne mich eindeutig zu ihm; selbstverstaendlich muss ich
auch, wenn auch nur mit wenigen Worten[,] die CIA-Frage erwaehnen. Sie wissen,
loge. Köln: Pahl-Rugenstein 1978, S. 257 f., hier S. 257.
120 Alexander Kriwitzki: Das Syndrom Wolfgang Kraus. In: Hitzer (Hg.): Bundesrepublik Deutsch-
land – Sowjetunion, S. 258–261, hier S. 261.
121 Manès Sperber an Wolfgang Kraus, 25. April 1967, NL WK.
122 Wolfgang Kraus an Michael Josselson, 16. Jänner 1967, Harry Ransom Humanities Research
Center, University of Texas, Austin, Michael Josselson Papers, Sign.: 29.4.
123 François Bondy im Gespräch mit Ulrike Ackermann. Zit. n. Ackermann: Sündenfall der Intel-
lektuellen, S. 110.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
382 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437