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Neben Friedrich Heer schwebte Adorno für diese Position auch Alexander Auer
vor. Tobisch nannte neben Robert Jungk auch Wolfgang Kraus, der „nicht von
der Hand zu weisen“ sei, da er neben anderen von ihr genannten, den Vorteil
besitze, dass er „große Verbindungen“ habe, jeder ihn kenne und er keiner „dekla-
rierten Clique“128 angehöre. Kraus sollte die Leitung des Instituts nicht über-
nehmen, er blieb mit der ÖGL jedoch weiterhin eine wichtige Verbindung zu
diesem transatlantischen Netzwerk.
Stone, geboren 1908, hatte in den frühen 1930er Jahren vor Hitlers Machter-
greifung in Berlin studiert und während des Zweiten Weltkriegs als Offizier in
der US-Armee gedient, arbeitete ab 1946 für die „New York Times“, ehe er 1949
als Direktor des „Office for Public Affairs“ in die Bundesrepublik zurückkehrte.
Er pflegte zahlreiche informelle Kontakte, die „für das Zustandekommen tran-
satlantischer Netzwerke“129 bedeutsam waren. Als einer der „wichtigsten Refe-
renten des internationalen Programms der Ford-Stiftung“130 war Stone eng mit
dem CCF verbunden und besaß als Schlüsselfigur im Kalten Krieg, die sich für
ein ausgeweitetes Europaprogramm engagierte, eine „breitere Definition von
Hochkultur, als die traditionell auf Kunst und Philosophie hin orientierte euro-
päische Kultur“.131
Kraus traf mit Shepard Stone bereits 1965 in Wien persönlich zusammen und
begegnete ihm im Laufe der zweiten Hälfte der 1960er Jahre immer wieder. Sto-
ne hatte die Bedeutung von Wien für die Wirkung des CCF erkannt, da es „eine
strategische Lage zwischen Ost und West“ besaß; „ein positiver und wichtiger
Faktor“ war zudem, dass „Wien und die österreichische Tradition ganz westlich“
waren, das Land de facto eindeutig auf den Westen hin orientiert sei, und von
der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ her gesehen habe Wien, so Stone,
„‚für die Menschen auf dem Balkan und auch in Polen immer eine große Anzie-
hungskraft gehabt.‘“132
Darüber hinaus stand Kraus Stone anlässlich eines Besuches in der ČSSR
beratend zur Seite:
„Wahrscheinlich werden Sie mit einer ganzen Reihe offizieller Institutionen
die Verbindung aufnehmen. Natürlich handelt es sich bei allen diesen Instituti-
onen um rein kommunistisch geprägte Einrichtungen. Wir selbst verhalten uns
zu den offiziellen Stellen sehr distanziert und haben nur so viel Verbindung mit
128 Ebd., S. 131.
129 Berghahn: Transatlantische Kulturkriege, S. 358.
130 Ebd., S. 242.
131 Vgl. Volker Berghahn: Industriegesellschaft und Kulturtransfer. Die deutsch-amerikanischen
Beziehungen im 20.
Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010 (= Kritische Stu-
dien zur Geschichtswissenschaft 182), S. 243.
132 Ders.: Transatlantische Kulturkriege, S. 259.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
384 Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher
Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Titel
- Wolfgang Kraus und der österreichische Literaturbetrieb nach 1945
- Autor
- Stefan Maurer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23312-1
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 452
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: WOLFGANG KRAUS, EIN „KANTENLOSER HOMME DE LETTRES“? 9
- 2. DER ÖSTERREICHISCHE LITERATURBETRIEB NACH 1945 43
- 3. DIE ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR LITERATUR (1961–1975) 81
- 3.1 Gründung und Anfänge der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 83
- 3.2 Einladungs- und Veranstaltungspolitik der ÖGL 98
- 3.3 Die ÖGL und das Konzept einer österreichischen Literatur 124
- 3.4 Die ÖGL und „Wort in der Zeit“ 142
- 3.5 Eine „Heimatadresse“? Die ÖGL und die Exilliteratur 155
- 3.6 Forum der Jugend 180
- 3.7 Bemühungen um die Literatur der östlichen Nachbarn 183
- 3.8 Resümee 190
- 4. „DAS MANAGEMENT REISST NICHT AB“. WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE LITERATUR 193
- 5. KONTAKTPERSON, VERMITTLER, DOLMETSCHER: WOLFGANG KRAUS UND DIE ÖSTERREICHISCHE KULTURPOLITIK 297
- 6. WOLFGANG KRAUS’ NETZWERKE IM KULTURELLEN KALTEN KRIEG 355
- 7. RESÜMEE 399
- 8. LITERATURVERZEICHNIS 403
- 9. PERSONENREGISTER 437