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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 157
Die Spannung zwischen notwendiger Reform und konservativer Haltung lässt sich
an einem konkreten Konflikt nachzeichnen. So hatte beispielsweise 1852 das Konsis-
torium versucht, national motivierte Versetzungen bzw. Einsetzungen von Pfarrern
vorzunehmen, die nicht ohne Widerspruch blieben.145 Die daraus resultierenden »Spal-
tungen und Zerwürfnisse über der Geistlichkeit« kamen auch dem Kultusministerium
zu Ohren. Wien bemühte sich um eine klare Regelung der kirchlichen Verhältnisse
in der Bukowina, musste allerdings aus der Sachlage heraus in diesem Vorfall »ganz
jenen Geist der Collegialität und des einträchtigen Zusammenwirkens« vermissen. Die
Frage eines erneuerten Statuts, d.h. einer Kirchenordnung, war ohnedies seit Jahren
anhängig. Johann Kalinczuk (1812–1875), zu diesem Zeitpunkt Professor für Dogma-
tik am theologischen Seminar in Czernowitz und Konsistorialassessor, hatte sich zuvor
gegenüber dem Ministerium in Wien darüber beschwert, »daß sich das gr.[iechisch]
n.[icht] u.[unierte] Consistorium in Czernowitz von seiner ursprünglichen Bestim-
mung wesentlich entferne« und daraufhin eine dringende Behebung der Übelstände
verlangt.146 Daraufhin reagierte Bischof Hackmann rasch. Er ließ zunächst die Minis-
terialmeinung in einer Zusammenfassung allen Mitgliedern des Konsistoriums zur
Kenntnis bringen. In einem zweiten Schritt nahm der Bischof zu den geäußerten Vor-
würfen gegenüber dem Ministerium Stellung. Er bat in Konsequenz den Minister, ihn
»von einem Hülfsarbeiter [i.e. Kalinczuk] zu befreien, zu dem ich, durch vierjährige
Erfahrung überzeugt, seiner Grundsätze und seines kirchenwidrigen Wirkens wegen,
[k]ein Vertrauen faßen kann, der mir in allen meinen Verfügungen entgegenarbeitet,
und mir in meinem redlichen Streben, ein guter Oberhirt der Diözese zu seyn, immer
ein Stein des Anstoßes ist«.147 Obwohl der eigentliche Sachverhalt aus der Quellenlage
nicht mehr mit gänzlicher Klarheit herzustellen ist, bleibt anzunehmen, dass sich Ka-
linczuk, der später zu den führenden Mitgliedern der rumänischen Kulturgesellschaft
der Bukowina zählte, zuvor gegen die Einsetzung ruthenischer Pfarrer bzw. für die Be-
setzung ruthenischer Pfarren mit rumänischen Priestern ausgesprochen hatte. Sowohl
das eigenmächtige Handeln Kalinczuks als auch sein hier vermutet nationales Ansin-
nen mussten das Misstrauen des Bischofs erregt haben. In ähnlicher Weise sollte Hack-
mann mehr als ein Jahrzehnt später auf das, seinem Dafürhalten nach, zu eigenständige
Denken und Agieren des jungen Konsistorialrates Andriewicz reagieren. Kalinczuk trat
145 DACZ 320/3/400, fol. 65, Statthalterei Lemberg an Hackmann v. 7.I.1853.
146 DACZ 320/3/400, fol. 33, Bericht Konsistorialassessor Dimitrowicz über Ministerialerlass an Hack-
mann, Czernowitz v. 9.I.1852.
147 DACZ 320/4/400, fol. 47–58, Bericht Hackmann an Ministerium (Konzept), Czernowitz v. 28.III./9.
IV. 1852, hier fol. 58.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439