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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 159
Andriewicz, der seit 1867 ein Reichsratsmandat in Wien hielt, hatte in dieser Eigen-
schaft mehrfach mit Hinweis auf den Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes von 1867 und
das Silvesterpatent von 1851 auf die Umsetzung einer selbständigen Verwaltung der gr.-
orient. Kirche in der Bukowina und ihrer Angelegenheiten
– mithin auch des Religions-
fonds
– gedrängt.153 Noch im Jänner 1870 argumentierte Andriewicz in seiner Rede vor
dem Reichsrat erfolglos, dass allein der jährliche Aufwand der vom Kultusministerium
angestrebten Einrichtung einer Güterverwaltung des gr.-orient. Religionsfond der Bu-
kowina »in kurzer Zeit die Kräfte dieses Kirchenvermögens aufzehren müßte«. Zudem
ließ Andriewicz als Abgeordneter eine Spitze gegenüber der Staatsverwaltung fallen,
dass die »Verwaltung der Staatsdomainen im Allgemeinen und auch der Religionsfond-
güter in der Bukowina ja erwiesenermaßen nicht die beste« sei. Der Bukowiner Geistli-
che appellierte geradezu an das versammelte Abgeordnetenhaus, für die ›Befreiung der
orientalischen Kirche‹ einzutreten :
Die orientalische Kirche braucht daher nichts, als die Befreiung von der aus der Zeit der abso-
luten Herrschaft herstammenden Bevormundung durch die administrativen Organe der Re-
gierung, welche die Kirche in Allem und Jedem festhalten ; sie braucht nichts, als die Lösung
derjenigen Fesseln und Banden, mit welchen ihre Lebensadern unterbunden sind ; sie braucht
nichts als die Ermöglichung, jene Luft der constitutionellen Freiheiten einathmen zu können,
welche durch die Staatsgrundgesetze gewährleistet sind.154
Das neue Statut wurde dessen ungeachtet am 18. März 1870 angenommen. Andriewicz
war an den vorangegangenen, in Wien und in Czernowitz stattgefundenen Verhand-
lungen nicht beteiligt gewesen. Auch wenn er in manchen Teilen für ein ähnliches Ziel
eintrat wie sein Bischof, so blieben gleichwohl die erheblichen Differenzen in der An-
sicht der Kirchenführung gegenüber Hackmann bestehen. Um trotz allem doch die Idee
einer erweiterten kirchlichen Selbstverwaltung, soweit dies das neue Statut vorsah, und
die Einberufung eines Kirchenkongresses voranzutreiben, veranstaltete die rumänische
Fraktion im Czernowitzer Volksgarten am 23. Juni 1870 nach einer feierlichen Messe in
der Kathedrale eine öffentliche Versammlung zu diesem Thema. Die Leitung hatte Ghe-
orghe v. Hormuzaki (1817–1882)155 übernommen. Berichten zufolge nahmen an dieser
153 StenoProt, II. Legislaturperiode, 7. Sitzung, 1. Session, 5.VI.1867, 144 ; StenoProt ; 15. Sitzung, 5.
Session, 28.I.1870, 295–300 ; sowie 29. Sitzung, 5. Session, 8.III.1870, 630–633.
154 StenoProt ; 15. Sitzung, 5. Session, 28.I.1870, 297 u. 300.
155 Gheorghe v. Hormuzaki (rum. Hurmuzachi) war der erste Präsident der Gesellschaft für rumänische
Kultur und Literatur in der Bukowina (Societatea pentru Cultura şi Literatura Română în Bucovina),
gegründet 1862/1865.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439