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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 187
mänischen Nationalpartei an.282 Gerüchtehalber hatten Calinescu und Bejan gegen eine
Kandidatur des Erzbischofs für den Reichsrat gestimmt.283 Über den Religionsfonds
konnten als Vertreter des Großgrundbesitzes Mandate in der entsprechenden Kurie ver-
geben werden, der Metropolit gehörte ohnedies kraft seines Amtes automatisch dem
Herrenhaus an. Schwerwiegender in der Sache schlug sich indes die von den beiden er-
wähnten Konsistorialräten an führender Stelle mitorganisierte rumänische Priesterver-
sammlung in Czernowitz nieder
– die von den Äußerungen Bourguignons aufgebracht
–
ihren Unmut freien Lauf ließ. Die Initiative der Kirchenfunktionäre mündete in einem
Disziplinarverfahren.284 Sowohl Calinescu als auch Bejan sollten mit Zustimmung des
Erzbischofs im Anschluss an das Verfahren in den Ruhestand übertreten, ganz so wie es
Bourguignon ursprünglich eingefordert hatte.285 Der Landtagsabgeordnete und Rektor
der Universität Skedl legte darüber hinaus ein auf die »extrem radicalen Rumänen« ab-
zielendes Memorandum vor, das entschieden zur »Verhetzung der Bevölkerung gegen
den Erzbischof Czuperkowicz und den Landespräsidenten« Stellung bezog. Eine Depu-
tation ruthenischer Priester dankte daraufhin sowohl Bourguignon als auch dem Met-
ropoliten für ihre »Objectivität und Gerechtigkeit« in der Sache.286 Inwiefern allerdings
diese – freilich ins Bild passende – Willenskundgebung der Gläubigen freiwillig oder
gezielt inszeniert worden war, lässt sich aus heutiger Sicht kaum mehr einschätzen. Zur
ursprünglich anvisierten Versetzung in den Ruhestand sollte es jedoch nicht kommen,
im Gegenteil, M. Calinescu stieg später zum Generalvikar der Diözese auf.
Die diametrale Wende der Bukowinaer Post in ihrer Positionierung als Teil einer partei-
politisch agierenden Öffentlichkeit verbildlichte sich in der Person des Archimandriten
ausgesprochen deutlich. In einem Rückblich von N. v. Wassilkos zum Ableben von Ca-
linescu 1912 meinte dieser, dass Czuperkowicz letztlich »zu schwach« gewesen sei und
»seinem guten Willen weiters auch ein Konsistorium, erfüllt vom Geiste Morarius, in
dem ein Calinescu und Bejan das große Wort führten, als unüberwindliches Hindernis«
entgegen gestanden hätte.287 Obgleich aus einer subjektiven Position heraus argumen-
tierend, lag N. v. Wassilko mit dieser Charakterisierung der Übergangsära von Mora-
riu-Andriewicz auf Repta nicht gänzlich falsch. Der alternde Erzbischof Czuperkowicz
verfügte von Beginn an kaum über eine reale Chance, aktiv in die zunehmend national
282 Neue Freie Presse Nr. 12522 v. 4.VII.1899 (Abendblatt), Telegramme.
283 Bukowinaer Post Nr. 891 v. 12.IX.1899, 1, Bejan-Calinescu !
284 Deutsches Volksblatt Nr. 3850 v. 20.IX.1899, 3, Czernowitz.
285 Deutsches Volksblatt Nr. 3906 v. 15.XI.1899, 2, Die Zustände in der Bukowina.
286 Neue Freie Presse Nr. 12610 v. 30.IX.1899 (Abendblatt), 3, Telegramme.
287 Bukowinaer Post Nr. 2828 v. 7.IV.1912, 1–3, Die Antwort der gr.-or. Ruthenen.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439