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188 Die Institution: Struktur & Werte
aufgeladene Situation seiner Diözese eingreifen zu können, um das Heft des Handelns
zu übernehmen. Eingeklemmt zwischen der schweren Erbschaft einerseits, die ihm sein
Vorgänger überlassen hatte, und den wachsenden Forderungen einer nationalisierten
ruthenischen Bevölkerung andererseits, flüchtete er sich – gesundheitlich ohnedies an-
geschlagen
– in eine Situation, die ihm von außen unter den gegebenen Umständen wie-
derum als Unentschiedenheit oder gar Parteilichkeit ausgelegt wurde. Dieser Eindruck
traf allerdings nur mit Einschränkung zu und gründete vielfach auf den Meinungen der
parteipolitisch in der Öffentlichkeit agierenden nationalen Gruppen. So stellte sich etwa
die Haltung des betroffenen ruthenischen Klerus im Kronland gegenüber der sie ›ver-
tretenden‹ jungruthenischen Partei von N. v. Wassilko keineswegs so homogen dar, wie
das ihre Vertreter gerne gesehen hätten. Das 1899 an den Metropoliten Czuperkowicz
überreichte, von N. v. Wassilko und Pihuliak unterzeichnete Memorandum provozierte
–
im Gegenteil
– unter einem erklecklichen Teil der ruthenischen Priester eine dezidierte
Ablehnung.
Solche ungesunden Verhältnisse einerseits und die zielbewusste Agitation und systematische
Propaganda andererseits, riefen diese so kritische Lage unserer bukowinaer orthodoxen Kirche
hervor, sie verursachten auch die in letzterer Zeit sich so oft wiederholenden Apostasien von
unserem orthodoxen Glauben. Als Symptom eben dieser ungesunden Verhältnisse ist unter
vielen anderen Stimmen auch das eingangs erwähnte Memorandum der Abgeordneten Pi-
huliak und Wassilko zu betrachten. Belehrt durch die Geschichte unseres Volkes, in welcher
das verhängnisvolle ›divide et impera‹ eine so abschreckende Rolle gespielt hat und Wünsche,
dass unsere Kirche unabhängig bleibt von auswärtigen Einflüssen, stehen wir, die Bukowinaer
orthodoxe Geistlichkeit ruthenischer Nationalität, und mit uns das gesammte ruthenische,
orthodoxe Volk und werden stets verbleiben auf dem Standpuncte der Untheilbarkeit der Bu-
kowinaer Erzdiöcese und ihres Consistoriums. Deshalb erklären wir unsere Nichtübereinstim-
mung mit dem Memorandum des Herrn Pihuliak und Wassilko und protestieren entschieden
gegen die dort angeführten Agitationsreden des Abgeordneten Pihuliak, besonders aber ge-
gen dessen Rede auf der vorjährigen Volksversammlung zu Czernowitz 6. Juni, die wesentlich
gegen die gesammte orthodoxe Geistlichkeit Bukowinas gerichtet ist […] In Anbetracht […]
d) des jahrhundertelangen Zusammenlebens und der öfteren Blutverwandtschaft der beiden
Völker, endlich e) mit Rücksicht auf die ererbte Liebe zu unserer Mutter-Kirche – stehen wir
treu und unerschütterlich bei der Untheilbarkeit unserer dem Schutze Gottes anempfohlenen
Erzdiöcese.288
288 DACZ 320/3/67 fol. 68f. u. 72 ; Memorandum ruthenischer Geistlicher an Erzbischof (zugleich an
Landespräsidenten) Czernowitz v. 31.V./12.VI.1899 ; Unterschrift von 65 Geistlichen ; in hektogra-
phierter Form auch unter DACZ 320/1/57, fol. 3–11.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439