Page - 209 - in Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949 - Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
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Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 209
Obwohl diese Weisung an die Pfarrer unmittelbar nach dem Abzug der russischen Trup-
pen von Repta wieder rückgängig gemacht worden war, begegneten ihm die österreichi-
schen (Militär-)Behörden in der durch den Krieg aufgeheizten Situation des allgemeinen
Misstrauens fürderhin mit Misstrauen.366 Repta hatte sich auch deswegen auf Weisung
noch vor der zweiten russischen Besatzung mit dem Konsistorium nach Dornawatra
(rum. Vatra Dornei) zu begeben.367 Man misstraute ihm.368 Im Dezember 1914 traf man
indes Überlegungen, zivile Behörden wie das Konsistorium und damit auch den Erzbi-
schof aus dem Kurort noch weiter ins Landesinnere der Monarchie zu verbringen.369 Zur
Evakuierung schritt man de facto allerdings erst während der Brussilow-Offensive im
Sommer 1916. Der Evakuierungszug, drei Waggons für 90 Personen stellte man dem Kon-
sistorium sowie dem Erzbischof zur Verfügung, verließ den Kurort am 23. Juni 1916 in
Richtung Klausenburg (heute Cluj-Napoca) und fuhr von dort über Wien nach Prag. Die
kirchlichen Behörden als auch die Landesregierung der Bukowina führten ihre Geschäfte
in Prag weiter. Das Konsistorium war im Hotel Blauer Stern (Prag
II.) einquartiert.370 Den
Beamten und Bediensteten des Konsistoriums, die Czernowitz verlassen mussten und da-
durch materielle Einbußen zu tragen hatten, gestattete die Landesregierung nachträglich
»einmalige Aushilfen im Ausmaße eines Monatsbezuges« aus Mitteln des Religionsfonds.
Der Fonds hatte ebenso die Evakuierungskosten der kirchlichen Einrichtungen zu beglei-
chen.371 Mit dem Zurückdrängen der russischen Armee während des Herbstes 1917 stellte
Repta den Antrag auf Rückkehr nach Czernowitz, der jedoch von den Behörden abgelehnt
366 Prokopowitsch 1959, Ende, 14 ; mit seinem 1924 eingereichten endgültigen Rücktritt erinnerte
und dankte hingegen v.a. die jüdische Bevölkerung dem Erzbischof Repta für seinen Einsatz auch
während der russischen Besatzung ; Czernowitzer Morgenblatt Nr. 1661 v. 27.I.1924, 2, Metropolit
Repta.
367 Von rumänischer Seite wurde damit argumentiert, dass die unfreiwillige Übersiedlung des Erz-
bischofs nach Dornawatra v.a. deswegen erfolgt sei, damit die österreichischen Behörden weiter-
hin Zugriff auf das Religionsfondsvermögen bei den Wiener Banken hätten, d.h. nicht zuletzt, um
daraus Kriegsanleihen zeichnen zu können (dazu Kapitel 9) ; Adevărul anul XXVIII, Nr. 10.090 v.
17.IV.1915, Martiriul românilor bucovineni (Ion Grămadă), 1f., nach : Papuc 2010, An, 180–189,
hier 183. Der Historiker und Publizist I. Grămadă (1889–1917) hatte 1915 die Bukowina verlassen
und war 1916 in die rumänische Armee eingetreten.
368 Ganz im Gegensatz dazu scheint aus der Erinnerung heraus die Haltung der Bevölkerung gegen-
über dem Erzbischof eine durchaus positive gewesen zu sein ; vgl. dazu die Gedanken des ukraini-
schen Bahnwärters Peter in Wittlins Roman Das Salz der Erde (160f.)
369 DACZ 320/1/17, fol. 4f., Landespräsident an Konsistorium, Dorna Watra v. 2.XII.1914, sowie Kon-
sistorium an Landesregierung, Dorna Watra v. 4.XII.1914, fol. 7.
370 DACZ 320/1/17, fol. 13–19, Landespräsident an Konsistorium, Dorna Watra v. 21.VI.1916.
371 DACZ 320/1/17, fol. 9, Landesregierung an Konsistorium, Dorna Watra v. 24.IV.1915 ; fol. 19, Lan-
desregierung ans Konsistorium, Prag v. 30.V.1917.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439