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212 Die Institution: Struktur & Werte
dender Position wie etwa im erzbischöflichen Konsistorium erhielt der politische, zu-
dem in wachsendem Ausmaße emotional geführte Diskurs neuerlich Nahrung. Darüber
hinaus erweiterte sich durch die Wahlrechtsreform, d.h. durch die Einführung des allge-
meinen, gleichen und geheimen Männerwahlrechtes von 1907 und die Abschaffung der
Kurien, das Wählerspektrum in Cisleithanien erheblich.386 Die Beteiligung einer breiten
Bevölkerungsbasis an politischen Entscheidungsprozessen geriet indes – wie das schon
die Kirchenkongressfrage gezeigt hatte – nicht unbedingt zum alleinigen Vorteil dieses
Demokratisierungsprozesses insgesamt. Noch mehr als zuvor waren die sich im Kron-
land allmählich formierenden politischen Parteien jetzt darum bemüht, ihre jeweilige
Legitimation durch den Ausbau des Stimmenanteils zu stärken. Die Politisierung
– und
in diesem Fall auch Emotionalisierung
– von Themen kirchlicher Autonomie bis hin zur
Vermögensverwaltung des Religionsfonds amalgamierte soziale Forderungen mit Fra-
gen nach nationaler Selbstbestimmung und projizierte in letztere die unbedingte Hoff-
nung auf eine Verbesserung der Lage. Aus dem benachbarten rumänischen Königreich
erfuhren die damit ohnedies fragilen innenpolitischen Verhältnisse des Kronlandes zu-
sätzlich radikalisierende Impulse, wie etwa durch die politische Tätigkeit von Iorga387
und regelmäßige Kommentare Bukarester Zeitungen. Allein all das war in Summe
kaum dazu geeignet, eine sachliche Diskussion um die Zugriffs- oder zumindest Kont-
rollrechte auf bzw. über den gr.-orient. Religionsfonds zu führen, sodass der Ausbruch
des Ersten Weltkrieges lediglich die Fronten in der Bukowina noch unüberwindlicher
machte und letztlich mit Ende des Jahres 1918 zugunsten der Rumänen Tatsachen ge-
schaffen wurden, die ohnedies keiner demokratischen Diskussion unter allen Betrof-
fenen mehr bedurften. Trotz dessen werden in der historiographischen Einschätzung
von rumänischer (wie auch ruthenischer) Seite die Jahrzehnte vor 1914 gerne als Peri-
ode des Kampfes bezeichnet. Dem ist nicht in allem zuzustimmen.388 Das Bemühen der
staatlichen Behörden – obwohl es oftmals einem unentschlossenen Lavieren gleichen
mag – um einen Ausgleich vermochte die Situation dennoch immer wieder vorüberge-
hend zu kalmieren.389 Landespräsidenten wie Oktavian Regner v. Bleyleben hatten dabei
wiederholt den Versuch unternommen, die Bedeutung des gr.-orient. Religionsfonds für
die Landesentwicklung und dessen durchaus positive Leistungen für das Allgemeinwohl
386 Cohen 1998, Absolutism.
387 Corbea-Hoişie 1996, Kohabitation.
388 Cândea 1924, Mitropolitul, 6.
389 Vgl. dazu die Sammlung diverser Beschwerden gegen Pfarrer u.a. in DACZ 320/1/18 fol. 34–174 für
die Jahre 1912–1925. Die Landesregierung leitete diese in der Regel mit der Bitte um Klärung des
Sachverhaltes an das Konsistorium weiter. Sie war allerdings zumeist darauf bedacht, den religiö-
sen Bedürfnissen sowohl der rumänischen als auch der ruthenischen orthodoxen Bevölkerung des
Landes gleichermaßen Rechnung zu tragen.
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Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439