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Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 243
wenn der Interpretationsspielraum auch manchmal etwas weiter ausgelegt wurde. Wien
lavierte in seiner Politik dem Fonds gegenüber geschickt zwischen Forderungen wie sie
etwa im Landtag der Bukowina aber auch in der Öffentlichkeit in regelmäßigen Abstän-
den artikuliert wurden und der eher reservierten, auf den ›ursprünglichen Zwecken‹ des
Fonds beharrenden und manchmal geradezu bremsenden Haltung des erzbischöflichen
Konsistoriums. Diese Gratwanderung war jedoch, ohne dabei die Möglichkeiten des
Fonds zu überdehnen, nicht nur in finanzieller Hinsicht zu meistern ; auch aus politi-
scher Perspektive galt es, den aus den Höhen nationaler Bewegungen zunehmend lauter
werdenden Zurufen mit überzeugter Haltung entgegenzutreten und ungeachtet dessen
dabei dennoch ausgleichend, aber keinesfalls polarisierend zu handeln.
Andererseits brachte die Analyse in einem nicht weniger entscheidenden Punkt der
historischen Bewertung dieser Institution schärfere Konturen zum Vorschein : in sei-
ner für das Kronland ökonomisch wie gesellschaftlich integrierend wirkenden Funktion.
Freilich agierte der Fonds in erster Linie als Großgrundbesitzer und verfolgte seine eige-
nen Interessen. Die initiative Steuerung oblag vielfach zunächst der Wiener Regierung
und wurde oftmals erst im zweiten Schritt vom gr.-orient. Konsistorium sowie seinem
Erzbischof mitgetragen bzw. in dieselbe Richtung gelenkt.
Die damit angesprochene Dominanz bzw. Verflechtung des Bukowiner gr.-orient.
Religionsfonds mit der Gesellschaft des Kronlandes lässt sich an einem – wenngleich
wirtschaftlich unbedeutenden – Beispiel anschaulich illustrieren. Zur Jahrhundert-
wende hatte der Tourismus als eigener Wirtschaftszweig vor allem in den Alpen der
Habsburgermonarchie (speziell in Tirol) bereits eine ökonomisch tragende Bedeutung
erlangt. Im östlichsten Kronland war davon wenig zu spüren. Trotzdem beging die
Sektion ›Bukowina‹ des österreichischen Touristenklubs unter ihrem Obmann, dem
Forstmeister Franz Bittner, 1913 mit einem Fest ihr 25-jähriges Bestandsjubiläum.102 An-
lässlich der anstehenden Feierlichkeiten hatte der Religionsfonds schon ein Jahr zuvor,
unweit des Rărău (1.650 m), einem der markantesten Erhebungen in den Waldkarpaten,
»zur Hebung des Fremdenverkehrs« dafür in seinen Forsten eine elf Kilometer lange
›Gebirgskunststraße‹ anlegen lassen. Damit war das 1906 eröffnete und ganzjährig be-
wirtschaftete Schutzhaus mit seinen im Endausbau 100 Plätzen leicht erreichbar gewor-
den und – aus militärischer Sicht – wohl auch die nahegelegene rumänische Grenze.
Die Erbauung der Hütte hatte ebenfalls im Wesentlichen der Religionsfonds gefördert.103
Besucher schwärmten vom Komfort des »einladenden Berggasthauses« und bemerk-
102 Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 3154 v. 22.VIII.1913, 3, Das 25jährige Bestandsjubiläum der
Sektion »Bukowina« des österr. Touristenklubs (Dr. Max Rosenberg).
103 Czernowitzer Allgemeine Zeitung Nr. 738 v. 24.VI.1906, 4, Eröffnung des Erzbischof Repta-Schutz-
hauses auf dem Rareu.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439