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Hebel strukturellen Wandels: Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 315
mitte auch die peripheren Gebiete des Habsburgerreiches eingeholt40, was die allge-
meine Situation für die Industrie der Bukowina zusätzlich erschwerte.
Die Siedlungen und Bewohner des Bergwerkskomplexes um Jakobeny waren in ih-
rer Existenz – abgesehen von der betriebenen Subsistenzlandwirtschaft – weitgehend
von der Montanindustrie abhängig. Das »patriarchalische Verhältnis« der Gewerke zu
den Bewohnern dieser Dörfer – wie ein zeitgenössischer amtlicher Bericht kritisch an-
merkte41 – betraf nicht nur das Einkommen der Familien, sondern vielfach ebenso die
Versorgung mit Lebensmitteln, die gesamte soziale und medizinische Absicherung der
Werksarbeiter und ihrer Familien sowie die schulische Ausbildung der Kinder. Aus den
daraus entstandenen komplexen Abhängigkeiten großer Bereiche der Südbukowina er-
wuchs für die Provinz mit der Krise der Montanindustrie ein gravierendes strukturelles
Problem, das dringend einer Lösung bedurfte. Die Handels- und Gewerbekammer der
Bukowina verwies schon aus diesem Grund mehrmals auf die »fast gänzlich ins Stocken
geratene« Montanindustrie des Landes sowie ihre soziale Bedeutung für die Berggebiete
der südlichen Bukowina,42 kam doch etwa der Provinz die Anschaffung von qualitativ
brauchbaren Eisenwaren aus entfernten Gebieten im Vergleich zum üblichen Marktwert
des Materials um mehr als ein Drittel teurer. Daher forderte die Kammer eine Wieder-
inbetriebnahme des Werkes und Investitionen durch den Religionsfonds.43 In den Sied-
lungen Jakobeny, Kirlibaba, Eisenau (rum. Prisaca), Pozoritta, Freudenthal und Russ pe
Boul (rum. Valea Boului, heute Teil von rum. Vatra Moldoviţa) waren immerhin mehr
als 7.200 Einwohner davon betroffen44, was etwa einem Drittel der im Gerichtsbezirk
Kimpolung ansässigen Bevölkerung entsprach (vgl. Abb. 63).45 Wohl nicht ganz zufällig
richtete sich zeitgleich der Betreiber der Gewerke Joseph Manz v. Mariensee mit der
Bitte um Unterstützung an die Landesregierung. Manz strich darin den »empfindlichen
Mangel an Betriebskapital, welcher tag-täglich die Schwierigkeiten und Verlegenheiten
vergrößert, und den Ruin der Bergwerke herbeiführt« heraus. Der das Schreiben einlei-
40 Im Überblick Jetschgo et al. (Hg.) 2004, Industriegeschichte, v.a. Einleitung u. 198.
41 DACZ 3/1/2125, fol. 8, Finanzprokuraturabteilung an Landespräsidium v. 20.III.1862 ; Kaiser
Franz
I. stellt bei seiner ersten Bereisung der Bukowina 1817 fest : »Die Gegend ist so kalt, daß nichts
als Erdäpfel wächst, zuweilen Gerste reift. Die Menschen betrachten alle den Manz als ihren Vater.
Er erhöhte bis jetzt ihnen die Löhnungen nicht, gab ihnen aber die Früchte im gleichen Preise, wie
vorhin und nicht mehr, als so vieles sie mit ihrem Verdienste decken können« ; Wagner (Hg.) 1979,
Reisetagebücher, 68.
42 Anonymus 1862, Hauptbericht, 14 ; Anonymus 1872, Hauptbericht, 21f.
43 Wiener Zeitung Nr. 242 v. 20.X.1862 (Abendblatt), 966f., Verhandlungen der Handels- und Gewerbe-
kammer.
44 Anonymus 1862, Hauptbericht, 203.
45 Volkszählungsdaten 1869 ; Scharr 2010, Landschaft, Anhang V.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Title
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Subtitle
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Author
- Kurt Scharr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 447
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439