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VIRTUELL-KÖRPERLICH 165
traditionellen Sportarten setzen neu aufkommende riskante Sportarten, so eine
zentrale Beobachtung, „den Körper aufs Spiel. Sie werfen ihn keineswegs fort,
sondern setzen ihn aus und erobern ihn – nach vollbrachter Leistung – als ein
beherrschtes und im Wert gesteigertes Gut zurück.“225
Auch wenn in Computerspielen das faktische Risiko fehlt, setzen auch hier
die Akteure den eigenen Körper durch die embodiment relation mit ihrem Ava-
tar einem gefühlten Risiko aus. Sie setzen ihn virtuell aufs Spiel und lernen ihn
dadurch auf eine neue und intensive Weise kennen. Im Anschluss an seine Aus-
führung zur Erfahrung des Erhabenen in Horrorspielen (vgl. Kap. 3.2.1) verweist
auch Jörg von Brincken auf einen entscheidenden Aspekt in diesem Prozess:
„[E]in wesentliches Moment der Erzeugung erhabener, das heißt auf schreckliche
Weise Vergnügen bereitender, Wirkungen“, so argumentiert er aufbauend auf Ed-
mund Burke, liegt „im Aspekt des Neuen und in der Befriedigung einer anthropo-
logisch konstanten Lust daran, sprich: Neugier.“226
Diese These bestätigt sich beim ethnografischen Blick auf Let’s Play-Videos
von Horrorspielen. Das sich ständig wiederholende Lachen über den eigenen
Schrecken – das ein kommentierender Horrorspiel-Zuschauer als „Angstlache“
bezeichnet227 – ist ein Lachen über eine befremdliche und mit Neugier aufge-
nommene Selbst- beziehungsweise Körpererfahrung. „Das Erhabene“, ergänzt
von Brincken, „entspricht dem Modus ästhetischen Empfindens, in dem nicht
nur das Unvertraute erschreckend wird, sondern in dem das Vertraute unvertraut
wird.“228 Die uns auch aus dem eigenen Alltag vertraute Erfahrung des Erschre-
ckens wird dabei nicht einfach wiederholt, sondern im Prozess ihrer medialen
Vermittlung verändert:
„[D]iese uns allen vertrauten Gefühle [werden] vom Erhabenen transformiert: Sie geraten
zu artifiziellen bzw. auf artifiziellem Wege und durch Artefakte evozierten Affekten, die
dem empfindenden Subjekt aus genau diesem Grunde als anziehend erscheinen können,
weil sie an das Moment des Ästhetischen gebunden sind.“229
Das bestätigt sich auch durch eine dem Vergnügen am Schrecken entgegenlau-
fende Tendenz, die in Spielprozessen von Horrorspielen regelmäßig sichtbar
wird: Nach wiederholtem Spielen (und einer Gewöhnung an die durch ein Spiel
angebotenen Stress-, Spannungs- und Schreckmomente) werden die emotionalen
Erfahrungen langsam schwächer. Nachvollziehen lässt sich auch dieser Aspekt
225 | Thomas Alkemeyer u.a.: Aufs Spiel gesetzte Körper. Eine Einführung in die Thema-
tik. In: Dies. (Hg.): Aufs Spiel gesetzte Körper. Aufführungen des Sozialen in Sport und
populärer Kultur. Konstanz 2003, S. 7-15, hier: S. 10.
226 | Brincken: Die Lust am Schrecken, S. 231.
227 | Vgl. https://www.youtube.com/all_comments?v=UIuP8w7_4kU
228 | Brincken: Die Lust am Schrecken, S. 233.
229 | Ebd., S. 233-234.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364