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VIRTUELL-KÖRPERLICH 135
nau das Gleiche getan, sich also „auch mal arme kleine Zauberer irgendwie zum
Frühstück geschnappt.“ (IV11) Ich frage, was daran den Reiz ausmache. Limaneel:
„Es ist die Reaktion des Players, die den Reiz glaub ich ausmacht. Oder so war’s bei
mir zumindest. Wenn du aus dem Stealth [der Tarnfähigkeit des Schurken, C.B.] aufge-
taucht bist und hast gesehen, dass der [Gegner, C.B.] irgendwie so nen ganz komischen
Schritt nach links gemacht hat, wusstest du: ‚Alles klar, der hat sich gerade vor seinem
Bildschirm zu Tode erschreckt.‘ Oder wenn du weißt, okay jetzt schnappst du ihn dir, und
du weißt ganz genau, wenn du ihn [kaputt] gemacht hast, beißt der grad vor Wut in die
Tischkante […] und du weißt ganz genau, weil das irgendwie auch ne miese Nummer war:
‚Okay der ist jetzt echt stinkig.‘“ (IV11)
Die Freude am Ärger der Anderen kann sich noch dadurch steigern, dass der
Gegenspieler Punkte oder wertvolle Gegenstände verliert. Im Multiplayer-Zom-
bie-Survival-Spiel DayZ zeigt sich dieser Effekt regelmäßig. Der Tod des eigenen
Avatars ist hier permanent und dessen Leben dementsprechend wertvoller als in
anderen Spielen (vgl. dazu auch Kap. 3.3.2). Daraus ergeben sich besondere Erfah-
rungen der Dominanz, beispielsweise wenn Spieler mit einem Scharfschützen-
gewehr in einem Versteck liegen und von dort aus auf nichtsahnende Mitspieler
zielen. In einem während des Spielens geführten Gespräch darüber meint der
16-Jährige Joey: „Du zielst auf sie und du weißt, dass sie gleich sterben werden.
Nur sie wissen’s nicht. Das ist so cool, dieses Gefühl, weil du weißt, sie haben vier
Tage [für ihre Ausrüstungsgegenstände, C.B.] gearbeitet. Und jetzt sterben sie
gleich.“ (FT)
Joey antizipiert hier den sogleich folgenden Ärger des Gegners, den er töten
wird, und freut sich auf dieses Resultat. Welches Gefühl sich einstellen kann,
wenn der Gegner erst einmal getötet und ausgeraubt wurde, beschreibt der
22-Jährige Bernd:
„Dann ist das einfach so das Gefühl, dass der dann scheiße drauf ist und du es jetzt ihm
gezeigt hast. Und wenn du dann noch merkst, dass er rumflamed und abgeht [in diesem
Fall: im Textchat den Angreifer beleidigt und sich aufregt, C.B.], dann freut man sich noch
viel mehr! Dann freut man sich in die Faust rein, irgendwie, das ist richtig geil das Gefühl,
auf jeden Fall.“ (IV2)
Bernds verschmitztes Lächeln bei diesen Worten ist auch im Online-Interview
deutlich zu hören. Ich lache auch und meine, das sei schon fies irgendwie. Er
stimmt zu: „Es ist auf jeden Fall fies, aber das ist auch grade dieser Spaßfaktor,
finde ich auf jeden Fall (lacht). Wenn ich merk irgendwie, dass [ich] es den ande-
ren jetzt gezeigt [hab] und der jetzt richtig sauer und traurig oder was weiß ich
ist, da denk ich so: ‚Joa, geil!‘“ Ich lache leise, um Verständnis zu signalisieren,
und meine: „Ja ist hart, irgendwie.“ Bernd lacht seinerseits, verlegen aber auch
genüsslich: „Joahaha.“ (IV2)
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364