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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 203
Kill-Death-Ratio
Die Freude an der eigenen Leistung, die durch Punkte vergleichbar gemacht wird,
ist keinesfalls auf ludisch-virtuelle Gewalt beschränkt. Man misst sich auch in
Spielen ohne ludisch-virtuelle Gewalt, doch immer wieder rücken Actiongames
ins Zentrum der kompetitiven Prozesse. Die erste „Telematch Meisterschaft“, das
„Duell der Besten“ 1983 in München, wurde beispielsweise anhand der Spiele
River Raid und Sea Quest durchgeführt.16 Beides sind Spiele, bei denen man mit
seinem Avatar (ein Düsenjet bzw. ein U-Boot) durch das Abschießen von Gegnern
(bspw. Panzern oder Haien) Punkte sammelt. Innerhalb kompetitiv ausgerichte-
ter Computerspielkulturen wird also sehr früh der Kill zum Indikator für eine
messbare Leistung. Computerspielgewalt wird damit zu einer zentralen Kategorie
des Vergleichens von Spielerfolg.
Springen wir um 30 Jahre in die Gegenwart: Heute ist dieses Prinzip nicht
nur fest in Computerspielkulturen verankert, sondern differenziert sich in sehr
unterschiedliche Vergleichspraktiken aus. Diese orientieren sich daran, welche
Statistiken, Punktetabellen oder Ranglisten ein Spiel zur Verfügung stellt. Die
klassische Highscore-Liste am Ende des Spiels nimmt heute nur noch eine unter-
geordnete Funktion ein. Spieler erhalten in wesentlich kurzfristigeren Intervallen
regelmäßiges Feedback. Im Singleplayer-Actiongame GTA5 beispielsweise wer-
den nach kampfbetonten Aufträgen Statistiken zur eigenen Treffergenauigkeit
und zur Anzahl der Headshots eingeblendet, nebst einer Bronze-, Silber- oder
Goldmedaille für die Gesamtleistung im Verlauf der Mission.17 In den analysier-
ten Let’s Play-Videos erregen solche Zwischendurch-Statistiken aber eher beiläu-
figes Interesse. Wirklich wichtig werden Punkte dort, wo verschiedene Spieler
ihre Leistung miteinander vergleichen.
Das ist beispielsweise in Online-Multiplayer-Ego-Shootern wie Battelfield 3+4
der Fall. Im meistgespielten Modus werden hier Punkte erstens für das Erobern
von Flaggen des gegnerischen Teams, zweitens für Nebentätigkeiten wie das Hei-
len von Verbündeten oder Reparieren von Fahrzeugen, und drittens für das Tö-
ten von Gegnern vergeben. Aus den Punkten ergibt sich eine im Sekundentakt
aktualisierte Leistungstabelle, die von jedem Spieler per Tastendruck aufgerufen
werden kann. Die Praxis des permanenten Aufrufens dieser sogenannten Stats
(Statistiken) gehört zum Alltag des Spielens. Theoretisch kann man bei Battlefield
3+4 auch oben in der Rangliste stehen, ohne besonders viele Kills gemacht zu
haben, beispielsweise indem man Punkte durch das Wiederbeleben getöteter Ver-
bündeter ergattert. De facto stehen aber die Spieler mit den meisten Kills meist
auch ganz oben in der Tabelle, und wichtiger noch: Viele Spieler schätzen weniger
16 | O.A.: TeleMatch-Meisterschaft: Duell der Besten. In: Telematch (1984), H. 1, S. 12.
http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1984-01_seite12
17 | Vgl. exemplarisch Gronkh: GTA V [HD+] #012 - Du kriegst, was Du gibst! * Let’s
Play GTA 5 (GTA V) (27.9.2013), 21:35-22:00. https://www.youtube.com/embed/jsBtp
w4A05Y?start=1295&end=1320
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364