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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL62
Genau hieraus ergibt sich auch die Besonderheit des Spielens als Prozess emo-
tionaler Erfahrung. Bateson notiert dazu zwar nur am Rande einige Gedanken,205
doch die hier vorgeschlagene Untersuchungskategorie Vergnügen lässt sich an
dieser Stelle gut in sein Spielmodell einbinden. Ein Vergnügen als eine spieleri-
sche Tätigkeit zu untersuchen, heißt dann, darauf zu fokussieren, wie die Spielen-
den durch die metakommunikativ als nicht-ernsthaft markierte Bezugnahme auf
ernstgemeinte Signale besondere und positiv gedeutete emotionale Erfahrungen
machen. Auf diesen Aspekt soll im Rahmen dieser Studie das Adjektiv „spiele-
risch“ oder „ludisch“ hinweisen.
Der Begriff „ludische Gewalt“ meint dementsprechend die durch körperli-
che oder verbale Signale erreichte Bezugnahme auf faktische physische Gewalt
innerhalb eines metakommunikativ als nicht-ernsthaftes Spiel gerahmten Pro-
zesses. Auch Batesons kämpfende Affen üben in diesem Sinne ludische Gewalt
aus, genau wie Kinder beim Spielen von Cowboy und Indianer. Problematisch
ist auch hier die Frage nach dem von diesem Begriff eingeschlossenen Grad der
Abstraktion der entsprechenden Handlung. Ein Tor im Fußball beispielsweise
als einen Akt ludischer Gewalt zu verstehen, mag einerseits angesichts gängi-
ger Verbalisierungen wie „eins reinhauen“ oder „die Gegner platt machen“ nicht
ganz fern liegen, andererseits wäre dann fast jeder kompetitive Teamsport mit
ludischer Gewalt in Verbindung zu bringen. Diese Unschärfe kann hier nicht
generell aufgelöst werden, doch für die vorliegende Studie ist sie ohnehin kaum
relevant, insofern die Repräsentationen physischer Gewalt in den untersuchten
Spielen immer explizit als solche zu erkennen sind.
Damit ist auch bereits die Besonderheit einer nicht nur ludischen und nicht
nur virtuellen, sondern einer ludisch-virtuellen Gewalt angedeutet. Diese nutzt
die Ähnlichkeit zwischen faktischer physischer Gewalt und ihren computerver-
mittelten Repräsentationen, um durch die unernste Bezugnahme auf jenes Ernst-
gemeinte bestimmte emotionale Erfahrungen machen zu können. Dabei ist die
ludisch-virtuelle Gewalt einerseits radikaler als andere Formen ludischer Gewalt,
insofern die Repräsentationen physischer Gewalt wesentlich konkreter sind. Zu-
gleich ist aber auch die metakommunikative Rahmung „Dies ist ein Spiel“ durch
die stets computervermittelte Situation integraler Bestandteil des Prozesses.
Daraus ergibt sich ein breites Spannungsfeld, innerhalb dessen Spieler die
spezifischen Bedeutungen und Potenziale ludisch-virtueller Gewalt auf sehr un-
terschiedliche Weise nutzen können. Dabei entstehen, was ich im Folgenden in
Anlehnung an den Kulturbegriff der Empirischen Kulturwissenschaft/Europäi-
schen Ethnologie/Kulturanthropologie206 als Computerspielkulturen bezeichne:
205 | Vgl. Bateson: Eine Theorie des Spiels und der Phantasie, S. 198. Bateson zieht
hier als Beispiel die emotionalen Erfahrungen beim Ansehen von Filmen oder beim Träu-
men heran, wobei er diese Prozesse nicht klar von denen des Spielens unterscheidet.
206 | Vgl. zum Kulturbegriff derselben Wolfgang Kaschuba: Einführung in die Europäi-
sche Ethnologie. München 2006, S. 107.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364