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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 245
meiner Überraschung von unserem Gildenleiter der Posten des „Dragonknight-
Offiziers“ angeboten. (FT) Etwas verdutzt nahm ich diese Ehre an und wurde
fortan regelmäßig von hilfesuchenden Dragonknight-Neulingen nach Tipps und
Optimierungsvorschlägen für ihren Avatar gefragt. Tatsächlich schlich sich trotz
meiner verhältnismäßig distanzierten Sicht auf diese Prozesse ein nicht zu ver-
hehlender Stolz ein, dass meine Kenntnisse von anderen wertgeschätzt oder sogar
ganz offen bewundert wurden.
Diese Prozesse des Fachsimpelns, Lehrens und Lernens sind dabei prinzipiell
die gleichen wie in anderen Sport- und Spielkulturen auch. Als mobilisierende
Emotionspraktiken bringen sie ein gegenstandbezogenes Wissen in Zirkulation,
das allen Eingeweihten bedeutungsvoll erscheint und genau deshalb die hierfür
zentralen emotionalen Erfahrungen ermöglicht: Stolz und Anerkennung. Als ich
Marco und Tarox im Interview frage, ob sie bei Erfolg ihrer Lehrbemühungen
dann auch stolz auf ihre Spieler sind, bejahen sie klar. Marco erzählt, wie sich ein
Mitspieler am Tag zuvor besonders lernfähig gezeigt und alle seine Ratschläge
sofort umgesetzt hatte:
„Und da ist das dann einfach schön zu sehen, und da bist du dann auch stolz wie Bolle
[besonders stolz, C.B.], wenn du dann siehst: Alles klar, du hast endlich mal einen, der
das wirklich annimmt, was du ihm sagst, und dadurch wirklich von Abend zu Abend, oder
von Stunde zu Stunde immer besser wird. [….] Du siehst wirklich: Von Stunde zu Stunde
wird der besser, von Stunde zu Stunde kannst du dann [als Gruppe, C.B.] mehr töten. […]
Zum Schluss haben wir es dann wirklich geschafft, […] beim letzten Mal, wir waren bloß
zu dritt, und hatten auf einmal eine Siebener-Gruppe vor uns, und wir haben komplett
sieben Mann in Schach gehalten. […] [D]a bist du dann echt stolz wie Bolle drauf.“ (IV13)
Die Zirkulation von Wissen bringt Erfahrungen des Stolzes und der gegenseitigen
Anerkennung für Lehr- und Lernfähigkeiten mit sich – und zugleich schweißt-
sie die Gruppe als emotional community noch enger zusammen. Direkt an Mar-
cos eben zitierte Ausführungen fügt Tarox an: „Genau das ist auch das, was das
Wir-Gefühl in einer Gruppe extrem pusht [fördert, C.B.]. Wenn die Leute dann
raffen: ‚Ey, das was mir die anderen sagen, das funktioniert.‘“ (IV13) Ausführlich
beschreibt diesen Prozess die Gildenleiterin Lela, als ich im Interview erwähne,
dass die beiden PvP-Leiter immer wieder die Bedeutung des Wir-Gefühls beto-
nen. Dieses Gefühl sei nicht nur wichtig, so Lela, sondern es wachse auch mit der
Zeit weiter an:
„Umso mehr man miteinander macht und umso mehr man halt auch Erfolge und Misser-
folge miteinander teilt und sich auch darüber austauscht, umso mehr hat man das Gefühl,
den anderen besser zu verstehen und besser zu kennen, obwohl es ja ne virtuelle Welt
ist. Aber dadurch entsteht halt schon so ne Geschichte von Zusammenhalt, dass man
halt anfängt, sich viel mehr Gedanken zu machen: ‚Wir haben jetzt nen Zerg [eine große
Ansammlung von Gegnern, C.B.], der übermächtig ist. Wir müssen ausweichen und nen
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364