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THEORIE UND METHODE 75
der Gründe für den Teamleader des semi-professionellen Counter-Strike-Clans
Blackshades, mich auf eine zweite LAN-Party einzuladen, wo ich mich dann voll
und ganz auf den Prozess der Wettkampfteilnahme dieses einzigen Clans kon-
zentrierte, was in Kapitel 4.1.2 ausführlich beschrieben wird.
2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews
Insgesamt 37 Spieler erklärten sich bereit, in 16 Einzel- und 8 Gruppeninterviews
mit einer durchschnittlichen Interviewzeit von 83 Minuten (insgesamt ca. 33
Stunden) vertiefende Gespräche über ihren Spielalltag zu führen. Diese Inter-
views fanden ausnahmslos online statt. Für diese Entscheidung sprach nicht nur
der ökonomische Faktor der Reisekosten (meine InterviewpartnerInnen waren
über ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz verstreut), sondern vor allem
der Status von Online-Gesprächen als normaler Modus unserer alltäglichen Kom-
munikation. Sich mit den Spielern für face-to-face-Gespräche zu treffen, hätte erst
einmal eine weniger anonyme und zugleich irritierende Ausgangssituation pro-
voziert. Im uns vertrauten Kommunikationsmodus des Online-Gesprächs waren
die meisten Spieler aber bereit, verhältnismäßig offen über das Thema Compu-
terspielgewalt zu sprechen.
Zugleich mussten Einschränkungen hingenommen werden. Gerade bei der
Artikulation von emotionalen Erfahrungen fällt mit der physischen Präsenz auch
ein großer Teil der Reichhaltigkeit des gestisch-mimischen Ausdrucks aus dem
Rahmen der Beobachtung. Auch können hier gängige Interviewtechniken, wie
etwa ein die Befragten bestätigendes und zum Weitererzählen anregendes Lä-
cheln und Nicken, nicht umgesetzt werden. Als Ausgleich hierfür setzte ich bei-
spielsweise verbale Bestätigungssignale (wiederholtes „mhm“) oder freundliche
Lacher ein. Letzteres stellte sich in vielen Situationen als entscheidend heraus.
Ein Lachen der InterviewpartnerInnen in Bezug auf ludisch-virtuelle Gewalt sig-
nalisierte Freude, die nicht selten von einem Moment des Zögerns unterbrochen
wurde – man konnte in diesen Momenten förmlich spüren, wie die Befragten
mit sich selbst die Vorzeigbarkeit ihrer Erfahrungen verhandelten. Bestätigendes
Lachen meinerseits signalisierte dann mein (auch ehrlich gemeintes) Verständnis
für diese Freude und regte auch meist zum Weitererzählen an.
Abgesehen von solchen Unterschieden orientierte ich mich bei der Interview-
führung an den in der Empirischen Kulturwissenschaft üblichen Verfahren, die
den Schwerpunkt nicht auf statische Frage-Antwort-Strukturen legen, sondern
vielmehr die InterviewpartnerInnen anregen sollen, von sich aus über ihren All-
tag zu erzählen.227 Diese „Kunst des Reden-Lassens“ baut in vielen Fällen auf
227 | Vgl. einführend u.a. Judith Schlehe: Formen qualitativer ethnographischer Inter-
views. In: Bettina Beer (Hg.): Methoden ethnologischer Feldforschung. Berlin 2008, S.
119-142; Brigitta Schmidt-Lauber: Das qualitative Interview oder: Die Kunst des Reden-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364