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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL56
was Technik ist, als vielmehr danach, wie sie in die Tat umgesetzt wird. Diese
Grundhaltung prägt auch die hier vorgeschlagene Perspektive auf den Umgang
mit Computertechnik.
Denn auch ein durch Computertechnik generiertes virtuelles Objekt (oder
auch ein virtueller Raum, ein virtueller Körper, ein virtueller Klang oder eine
virtuelle Bewegung) ist nur dann soziokulturell relevant – genauer: soziokultu-
rell überhaupt erst existent – wenn ein oder mehrere Akteure damit umgehen.182
Insofern die spannungsreiche Ähnlichkeit zu Physischem für Virtuelles konsti-
tutiv ist und die Herstellung dieser Ähnlichkeit die Anwendung akteurgebunde-
nen Wissens voraussetzt, ist – streng genommen – „Virtuelles“ oder „Virtualität“
niemals jenseits menschlicher Tätigkeit denkbar. Vor diesem Hintergrund ist es
durchaus sinnvoll, von virtueller Praxis zu sprechen. Die meint dann den konsti-
tutiven Umgang mit den Ähnlichkeiten zwischen virtuellen Entitäten (Objekten,
Räumen, Körpern, Klängen, Bewegungen, etc.) und deren physischen Entspre-
chungen. Anders formuliert: Virtuelle Praxis meint das bedeutungsvolle Tun der
Akteure mit computervermittelten Repräsentationen, das die potenziellen Ähn-
lichkeiten zwischen diesen Repräsentationen und Elementen unserer physischen
Umwelt überhaupt erst wirksam macht.
Diese Grundhaltung verleiht dem Adjektiv „virtuell“ zwei zusätzliche Konno-
tationen. Erstens: Wenn ich im Folgenden beispielsweise von einem virtuellen
Objekt spreche, dann ist darin immer auch ein Prozess des permanenten In-Be-
zug-Setzens der Ähnlichkeiten zwischen Repräsentation und physischer Entspre-
chung gemeint, der dieses Objekt erst bedeutungsvoll werden lässt. Zweitens ist
darin eingeschlossen, dass ein virtuelles Objekt das immer nur vorläufige Ergeb-
nis eines permanten soziokulturellen Aushandlungsprozesses ist. Das gilt insbe-
sondere für die komplexen Simulationen in Computerspielen. Was ein Körper,
eine Waffe, eine Bewegung in einem Computerspiel ist, das bleibt Gegenstand
permanenter Aushandlung.
Ein Beispiel: Der Ego-Shooter Counter-Strike bietet die Möglichkeit, durch Be-
wegung von Tastatur, Maus oder Gamepad einen Bildausschnitt innerhalb eines
dreidimensionalen Raums zu positionieren. Das Programm simuliert darüber
hinaus verschiedene andere Darstellungen, die sich vor räumlich angeordneten
grafischen Hintergründen bewegen und, sobald ich meine Bildschirmmitte auf
sie ausrichte und eine Taste betätige, aus der Simulation genommen werden.
Schließlich werden auch in bestimmten Situationen meine eigenen Einfluss-
182 | Damit schließe ich zugleich wieder an die oben zitierte Definition einer Simulation
von Katie Salen und Eric Zimmerman an. Salen und Zimmerman konkretisieren: „A pro-
cedural representation is a process-based, dynamic form of depiction. […] These forms
of representation emerge from the combination of the formal system of a game and the
interaction of a player with the game.“ Dies.: Rules of Play, S. 457. Die Nutzungspraxis
ist demnach zwingender Teil der Simulation. Erst durch sie wird die Simulation zu einem
Prozess.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364