Page - 222 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL220
„Ihr Noobs!“ (s.o.) in die Weite der Turnhalle hineinrufen. Meistens beziehen sich
diese Sprüche auf die Unterlegenheit der Gegner: „Mann, ist das wieder einfach
hier!“, „Kindergarten hier!“, „Wie sie zurückgehen die Pussys! Die haben Angst!
Die haben Angst!“, oder: „Die haben keine Chance! Geht doch Minigolfen!“ (FT)
Fox bezeichnet diese Praktiken als „Mind Games“. (FT) Im Interview erklärt er
auf meine Nachfrage, was er damit meint:
„Du willst dann halt irgendwie provozieren, aber auch dich selber pushen, und ich weiß
nicht, so ein bisschen eine mad Stimmung [schlechte Stimmung, C.B.] in das andere
Team reinbringen, dadurch dass die sich so ein bisschen ankacken [ärgern und streiten,
C.B.] und so weiter. [Das] funktioniert bei uns zum Beispiel nicht, aber es funktioniert so
bei Kindern [jungen Gamern, C.B.] oder bei Mixes [Teams mit Spielern aus verschiedenen
Clans, C.B.] oder bei Leuten, die noch nicht lange zusammen spielen und so weiter.“ (IV6)
Die „Mind Games“ sind demnach eigentlich eine Art von „Emotion Games“, die
gezielt negative Stimmungen unter den Gegnern mobilisieren sollen. Spätestens
hier wird deutlich, dass spezifische emotionale Erfahrungen nicht nur das Ergeb-
nis des permanenten Leistungsvergleichs sind, sondern Mittel seiner Austragung.
In dieses Gefecht der Emotionen werden dann auch die Emotionspotenziale lu-
disch-virtueller Gewalt einbezogen. Zugespitzt formuliert: Die „mad Stimmung“
(s.o.) unter den Gegnern wird nicht nur durch Schmährufe erzeugt, sondern
durch eine Kombination derselben mit Gesten einer virtuell-körperlichen und
damit auch sozialen Dominanz. Im Gegenzug dient auch das permanente Auf-
peppeln und emotionale Unterstützen der eigenen Teammitglieder dazu, deren
Erfahrungen einer virtuell-körperlichen Unterlegenheit etwas entgegenzusetzen.
Nichts verdeutlicht diesen Zusammenhang so sehr wie eine bestimmte Spiel-
strategie, die auch auf LAN-Partys immer wieder zum Einsatz kommt: das so-
genannte „Messern“ eines Gegners. (FT) In Counter-Strike werden im normalen
Kampf ausschließlich Schusswaffen eingesetzt. Jeder Avatar trägt aber standard-
mäßig auch stets ein Messer bei sich. Einen Gegner mit diesem Messer im Nah-
kampf anzugreifen ist ausgesprochen riskant, weshalb ein erfolgreicher Messer-
Kill als verwegene Leistung des Angreifers und besonders schweres Versagen des
Besiegten gilt. Im Interview bestätigt Fox, jemanden zu „knifen“ sei „nice“, womit
er auch auf die Erfahrungen von Gekonntheit und Eleganz verweist, die mit die-
ser Aktion einhergehen. (IV6) Aber vor allem geht es dabei um die Demonstration
von Dominanz. Fox erklärt:
„Wenn es jetzt so der letzte Frag [letzte Kill in einer Spielrunde, C.B.] ist oder [man sich]
einfach so von hinten so ranschleich[t], dann hat’s schon was. Dann zeigt’s auch ein
bisschen auch die Dominanz so an der Stelle, ne? [...] Wenn du einen von hinten knifest
[messerst, C.B.] [...], also durch ausmoven [bessere taktische Bewegungen, C.B.] und so
weiter, das zeigt einfach, dass du viel mehr Überblick hast und so weiter.“ (IV6)
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364