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THEORIE UND METHODE 49
Natürlich ist die klare Trennung zwischen der analytischen und wertenden
Funktion des Gewaltbegriffs in der Forschungspraxis nicht immer aufrechtzuer-
halten. Das zeigt sich auch in Gesprächen mit Spielern. Obwohl ich in Interviews
beispielsweise stets versicherte, es gehe mir nicht darum, ob Computerspiele ge-
fährlich oder schlecht seien, rief allein die Verwendung des Begriffs Gewalt im-
mer wieder Abwehrreaktionen der Spieler hervor, die klarstellen wollten, dass sie
wegen der Gewalt nicht gleich zu Amokläufern werden. In einer längeren Diskus-
sion mit den Spielern Marco und Tarox verwies ich erst vergeblich darauf, dass der
Erfolg von Games, in denen Gewaltdarstellungen sehr präsent sind, ja zumindest
eine gewisse Relevanz von Computerspielgewalt für das Spielvergnügen nahele-
ge. Dann aber räumte einer von ihnen ein, dass er einfach nicht in diese Sparte
gesteckt werden wolle: „Wenn man sagt: ‚Ey, ich spiel Computerspiele‘, das Erste,
was man dann hört: ‚Öh, wann planst du deinen Amoklauf?‘, so ungefähr.“ (IV13)
Nicht alle Interviewpartner blieben dabei in der gleichen Verteidigungshaltung.
Wooshy, ein anderer Spieler, ging im Interview selbstreflexiv mit genau dieser
Schwierigkeit um. Die Frage nach der Gewalt in Computerspielen, so Wooshy, ist
für viele Spieler deshalb so problematisch,
„weil es […] mit dem persönlichen Weltbild kollidiert. Wenn man jetzt sagen würde, von
innen [also aus Sicht eines Gamers während des Spielens, C.B.]: ‚Es ist definitiv Gewalt!‘
Dann muss man sich fragen, weil man ja normalerweise auch außerhalb dieser Welt [des
Computerspielens, C.B.] lebt: ‚Ist es mit meinem Gewissen vereinbar, dass ich das dort
mache?‘ Deswegen ist es schwierig, einfach zu sagen: ‚Ja, es ist Gewalt.‘“ (IV24)
Auch der 32-Jährige Spieler Limaneel, der über zehn Jahre World of Warcraft ge-
spielt hat, sieht das ganz ähnlich: „Das ist auch Angst. Viele Gamer sind auch in-
zwischen fast sowas wie traumatisiert und haben Angst, stigmatisiert zu werden.
Ich versuche mich dem eigentlich insofern zu stellen, als dass ich sage: ‚Ja, es ist
Gewalt. Und es wäre naiv zu sagen, dass es nichts mit Gewalt zu tun hat.‘“ (IV11)
Er könne aber, betont Limaneel, durchaus differenzieren zwischen Spiel und
Nicht-Spiel – genau das hoben fast alle Spieler hervor, sobald in Interviews der Be-
griff Gewalt fiel. Limaneel ergänzt: „Anstatt Menschen dafür zu stigmatisieren,
sollte es als Gesellschaft umso wichtiger sein, diesen Unterschied, diese Nuance,
in einem aufgeklärten Rahmen zu diskutieren. Deswegen ist es mir wichtig, sich
dem auch so fair zu stellen.“ (IV11)
Um diese Offenheit auch dort zu fördern, wo Spieler sehr sensibel auf Ge-
waltdiskurse reagierten, habe ich gegenüber Spielern nicht nur von „Gewalt“ ge-
sprochen, sondern auch den von ihnen bevorzugten Begriff „Action“ verwendet.
Eigentlich ist dieser Begriff nicht spezifisch auf die Beschreibung von Gewalt-
repräsentationen ausgerichtet, doch seine besondere Konnotation innerhalb von
Populärkulturen im Allgemeinen und Computerspielkulturen im Besonderen
macht ihn zu einem wichtigen Schlüsselwort. Ist von „Actionspielen“ die Rede,
dann wird damit selten nur auf die Schnelligkeit der Bewegungsabfolgen verwie-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364