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12 | Einleitung
bewusst über die in der Forschung etablierten Zäsuren hinweg ; als Fallbeispiel
dafür fungiert die österreichische Mittelstadt Linz. Dieser Zeitraum ermöglicht es,
Muster und Bedingungen von Kontinuität und Veränderung städtischer Umwelt
während einer Übergangsphase zu rekonstruieren, die in neueren Arbeiten zwischen
1750 und 1900 gesehen wird.3 Empirische Studien für diesen Periode haben gezeigt,
dass – wenngleich das urbane Leben partiell noch durch einen vormodernen Pfad
bestimmt war – signifikante Veränderungen stattfanden : Die expandierenden Städte
wurden zunehmend durch das Bürgertum geprägt, das traditionelle System der urba-
nen Selbstverwaltung verlor an Bedeutung, während die staatliche Bürokratie auch auf
städtischer Ebene expandierte und die Verwaltung professionalisierte. Die Aufklärung,
wissenschaftliche Diskurse (vor allem Fragen der Medizin und Hygiene betreffend)
und Verwaltungsreformen scheinen viele Aspekte der Stadtpolitik tangiert und die
Wahrnehmung von Umweltproblemen und Natur beeinflusst zu haben.4 Insbesondere
während der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts veränderte sich städtische Umwelt in
einem sehr starken Maße : Flüsse wurden reguliert und öffentliche Parks etabliert, die
Industrialisierung brachte neue Produktions- und Konsumptionsformen – und neue
Umweltbelastungen – mit sich. Die Transportrevolution vereinfachte überregionale
Transfers von Gütern und Personen, und die Errichtung neuer Ver- und Entsorgungs-
systeme führte zu einer Transformation und Substitution traditioneller Kreisläufe und
Materialflüsse. Im Hinblick auf »natürliche Umwelten«5 bildeten die Jahre zwischen
1700 und 1900 die späte Phase einer Periode mit kälterem Klima, die als »Kleine
Eiszeit« beschrieben worden ist. In Zentraleuropa folgten auf eine eher milde Phase
zu Beginn des 18. Jahrhunderts kältere Jahre zwischen 1730 und 1810. Für die Land-
wirtschaft nachteilige klimatische Bedingungen führten zu Beginn der 1770er Jahre
zu einer gravierenden Subsistenzkrise in vielen Teilen Westeuropas. 1816 kam es –
infolge eines Vulkanausbruchs in Indonesien – zu einem Jahr »ohne Sommer«. Die
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist – obgleich noch von Ausläufern der »Kleinen
Eiszeit« beeinflusst
– als Übergangsphase zum »warmen« 20.
Jahrhundert interpretiert
worden.6 Die epidemische Situation veränderte sich erheblich : Seit dem Beginn des
18.
Jahrhunderts verschwanden zunehmend ältere Epidemien (vor allem die Pest) und
wurden durch neuere wie Pocken, Typhus, Tuberkulose und Cholera abgelöst – die
Mortalität in den Städten blieb hoch.7
3 Vgl. Knoll, Luft.
4 Vgl. Clark, Cities ; Moore/Rodger, Cities ; Hamlin, Health.
5 Das Konzept der »natürlichen Umwelten« verfolgt die Mensch-Umwelt-Beziehungen in Bereichen, die
kaum vom Menschen kontrolliert oder beeinflusst werden können, wie etwa das Klima (für die Zeit vor
dem 20. Jahrhundert), Naturgefahren oder Epidemien – vgl. Reith, Umweltgeschichte, 8f.
6 Reith, Umweltgeschichte, 10f.; vgl. die Überblicke in Pfister, Wetternachhersage, Mauelshagen, Klima-
geschichte u. White/Pfister/Mauelshagen, Handbook, 265 – 295 u. 309 – 315.
7 Reith, Umweltgeschichte, 19 – 24 ; Lees/Lees, Cities, 62f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364