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62 | Kontexte : Linz 1700 bis 1900
Verbrauchssteuern absieht.114 Im Gefolge von 1848 begann jedoch eine Neuverteilung
der politischen Einflusssphären : Es kam zur (zeitweiligen) Gemeindeautono mie, zur
Aufhebung der Grundobrigkeiten und der Ständevertretung.115 Dennoch scheint
es – trotz der städtischen Emanzipationsrhetorik116 – keinen tiefen Bruch mit dem
Vormärzsystem gegeben zu haben. Der Neoabsolutismus der 1850er Jahre schuf zwar
wiederum neue Strukturen (u. a. eine »Gemeindeverwaltung« statt eines Magistrats),
und er verstärkte den staatlichen Einfluss mit einer Beschränkung der Gemeindeauto-
nomie – in personeller Hinsicht und damit wohl auch in der Herrschaftspraxis zeich-
neten sich aber Kontinuitäten ab.117
In dieser Phase gewannen middling groups, d. h. das Bürgertum, deutlich an politischer
Bedeutung.118 Diese Entwicklung wurde durch das ungleiche Wahlrecht begünstigt :
Bei den Gemeinderatswahlen im August 1850 waren von ca. 27.000 Einwohnern/in-
nen weniger als 1.600 wahlberechtigt.119 Über dieses System konnten auch bürgerliche
Aufsteiger und Zuzügler wichtige Positionen in der Stadtpolitik einnehmen, was im
18. Jahrhundert seltener möglich gewesen war. Diese Newcomer verfügten über viel-
fältige Vernetzungen und Prägungen, die oft den lokalen Raum überschritten : Der
Textilindustrielle Josef Dierzer (Bürgermeister 1854 – 1856) hatte eine Kaufmanns-
lehre in Triest absolviert und mehrere Englandreisen unternommen, er war Mitglied
des Landtages, des Reichsrates, des Gewerbevereins und der Handelskammer und an
der Gründung der »Allgemeinen Sparkasse« beteiligt.120 Carl Wiser (Bürgermeister
1873 – 1885) war ein Wiener und seit 1835 in Linz als Jurist tätig ; er war Gemeinde-
rat sowie Abgeordneter im Landtag und im Reichsrat (resp. Reichstag). Wie Dierzer
war er Mitglied des Gewerbevereins und ein Mitbegründer der Linzer Sparkasse.121
Bürgerliche Politik in der Stadt war auch stark mit dem Vereinswesen verbunden, das
nach 1848 nicht nur in Linz boomte und einen überregionalen Austausch ermöglichte
und intensivierte.122
Anfang der 1860er Jahre kam der Neoabsolutismus in die Krise, was zu Gemeinde-
ratswahlen führte und in einer Erneuerung der städtischen Autonomie resultierte.123
Damit begann die Phase des Liberalismus in der Stadtpolitik, die in Linz bis ins begin-
114 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 104 – 106 ; Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 116.
115 Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 104 ; Kreczi, Linz, 51 ; Stauber, Ephemeriden, 97 ; vgl. Gemeinde-
ordnung 1850, LGBl. 261/1850.
116 Vgl. Fink, Geschichte, 171f.
117 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 112 ; Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 120f., 128 u. 147 –
152 ; vgl. zu Wien : Csendes/Opll, Wien, Bd. 3, 117f.
118 Clark, Cities, 175f.
119 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 115 ; Tweraser, Gemeinderat, 294.
120 Lackner/Stadler, Fabriken, 477f. u. 481.
121 Adam, Wiser, 260 – 307 u. 329.
122 Kreczi, Linz, 265 ; Tweraser, Gemeinderat, 298 ; ders., Parteiensystem, 109f.; vgl. allgemein : Rumpler/
Urbanitsch, Habsburgermonarchie, Bd. 8, 239 – 272 u. 1030 – 1041.
123 Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 168 – 174 ; vgl. Gemeindestatut Linz, LGBl. 7/1867.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364