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93Kontinuität,
Adaption und neue Bedürfnisse |
(»pflanzliche oder thierische Ausscheidungen oder Verwesungsstoffe«) seien jedoch
noch vorhanden : »Man kann aber denken, was ein Strom aus Städten und bewohnten
Niederungen mit sich bringen mag.«152 In großen Städten gelange »der menschliche
und thierische Unrath in verschiedener Menge in der Erde«, was wiederum die Brun-
nen »mit Jauche durchsetzt«.153 Interessanterweise verwies Stifter auf die Untersu-
chung des Lehrers Schreinzers (wobei Stifter hartes Wasser als unsauber einstufte) und
auf die Diskussionen zur Wiener Wasserversorgung und er betonte den städtischen
Handlungsbedarf (»Dringlichkeit«) im Bezug auf die Wasserversorgung.154
Die Frage, welche allgemeinen Aussagen sich aus diesen spezifischen Wahrnehmun-
gen ableiten lassen, wird man nicht wirklich beantworten können. Man darf aber das
zeitgenössische Interesse an den »Winterbriefen« nicht unterschätzen, der Brief zum
Wasser wurde immerhin im März 1866 unter dem Titel »Wasserfrage« in der Wie-
ner »Neuen Freien Presse« abgedruckt.155 Aber auch im allgemeinen Diskurs dieser
Zeit zeichnet sich immer häufiger eine Verbindung zwischen Krankheit und Wasser
ab, was – in Bezug auf die Linzer Tageszeitungen – besonders ab der Mitte der 1860er
Jahre und im Kontext der Cholera festgestellt werden kann. Ab 1866 verknüpften meh-
rere Zeitungsartikel – dies war bei der Epidemie der 1850er Jahre noch unterblieben –
die Verbreitung der Cholera kausal mit der Frage des Trinkwassers.156 In einem Arti-
kel in der »Linzer Tagespost« vom September 1866 wurde betont, dass der Münchner
Hygie niker Max v. Pettenkofer »jetzt« eine mögliche Übertragung der Cholera über das
Trinkwasser »zugibt«.157 Auch das praktische Handeln (vgl. Kap. 9. Epidemie) hatte
die Wasserversorgung im Blick : Ende September wurden nach dem Auftreten von
Cholerafällen mehrere Brunnen im Schullertal »kommissionell untersucht« und – da
man dort »schlechtes Trinkwasser« vorgefunden habe – »versiegelt«.158 Wenig später
forderte ein Linzer Apotheker in einem Leserbrief »anzuordnen«, täglich alle Brunnen
zur gleichen Zeit eine Stunde lang abzuschöpfen, was nicht nur zu einer Durchspülung
der Kanäle führe, sondern auch helfe, die Wasserqualität zu verbessern.159 Wenig über-
raschend bestärkte die heranrückende Cholera Stifter in seiner Ablehnung des Linzer
Trinkwassers : Bereits im Juni 1866
– also noch vor dem Ausbruch der Cholera in Linz
–
riet Stifter seiner Frau, »keinen Tropfen Linzerjauchenwasser« zu trinken, »koche auch
nicht damit«, sie solle sich Wasser aus Kirchschlag schicken lassen.160
152 Ebd., 220.
153 Ebd., 220f.
154 Ebd., 221 ; vgl. ebd., 371f.
155 Ebd., 371.
156 Vgl. z. B. LAB, 1.2.1866 u. LTP, 5.8.1866 ; vgl. allgemein : Briese, Angst, Bd. 1, 154 – 157.
157 LTP, 8.9.1866 ; vgl. zu Pettenkofer : Lesky, Schule, 590f. u. zu dessen Choleratheorien : Evans, Tod,
307 – 314.
158 LAB, 25.9.1866.
159 LAB, 2.10.1866.
160 Stifter, PRA, Bd. 21, 227 ; vgl. ebd., Bd. 22, 6f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364