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Vorsitzende des Landessanitätsrats Josef Födinger zu Wort.187 Der »Privatier« Foltz
verwies auf die hohen Kosten und auf die laufenden Kanalisierungsarbeiten, der Arzt
Födinger gab sich überzeugt, dass zwischen dem Wasser und der »großen Sterblich-
keit« kein Zusammenhang bestehe. Damit sind bereits die Hauptargumente der Kriti-
ker benannt, die in den unterschiedlichsten, mehr oder weniger wortreichen Variatio-
nen während der nächsten beiden Jahre wiederkehrten : Die Wasserleitung sei ein
»unwillkommener Fremdling, der uns das Wasser zu vertheuern droht, das wir bisher
billig und bei Selbstbedienung umsonst haben konnten«, konnte man im Jänner 1877
auf der Titelseite des konservativen »Volksblatts« lesen. Im Februar 1877 lancierten
die Gegner/innen der Wasserleitung eine Petition, in der eine Verschiebung der Um-
setzung »bis nach vollendeter Canalisirung« und nachfolgender Wasseruntersuchung
gefordert und die von etwas mehr als einem Viertel der Linzer Hausbesitzer/innen
(460) unterschrieben wurde.188
Die Vorstellung, dass die Kanalisierung für die Verbesserung der Wasserqualität
ausreichend sei, fand sich schon im Linner-Gutachten 1868 (vgl. oben), zudem be-
stand in den 1870er Jahren eine Konkurrenz um Investitionen : Die 1874 aufgenom-
mene »Millionen-Anleihe« sollte nicht nur die Kanalisation, sondern auch den Neu-
bau des Schlachthauses, die Erweiterung des Volksgartens, Pflasterungen und andere
städtische Investitionen finanzieren.189 Als Reaktion auf die Widerstände bemühte
man sich um Rückhalt durch staatliche Stellen und ersuchte im Februar 1877 um
ein Gutachten des oberösterreichischen Landessanitätsrates, was dem Gemeinderat
aufgrund des Sanitätsgesetzes aus dem Jahr 1870 möglich war.190 Dazu kam es zu wei-
teren Wasseruntersuchungen
– zwischen 1877 und 1880 waren es vermutlich fünf191
–,
die Agenda der Wasserversorgung wurde aber erst wieder 1880 im Gemeinderat dis-
kutiert, als das Prager Unternehmen »Corte & Comp.[agnon]« anbot, die Errichtung
und den Betrieb einer Wasserleitung durchzuführen.192
Auf dieses Angebot reagierten Gegner wie Befürworter, deren Argumentation sich
kaum geändert hatte. Erneut starteten die Kritiker eine Petition, die nun jedoch fast
doppelt so viele Unterschriften aufweisen konnte.193 In einem relativ sachlichen Vor-
trag umriss der Linzer Techniker Josef Seitz zu Beginn des Jahres 1881 die Erforder-
nisse einer Wasserleitung und deren mögliche Optionen : Seitz nahm für Linz einen
täglichen Pro-Kopf-Verbrauch von 130 Litern an, wobei 60 Liter auf den Haushalt,
187 Vgl. zu Folz und Födinger : Pichler-Baumgartner, Wege, 41, 65, 72 u. 101f.
188 Pichler-Baumgartner, Wege, 72f. u. 98 – 100 ; vgl. zu Widerständen in Wien : Brunner/Schneider, Um-
welt, 198.
189 GRP 1875, fol. 3b – 7a ; vgl. RB 1876 – 1878, 59 – 64 u. Pichler-Baumgartner, Wege, 39.
190 Pichler-Baumgartner, Wege, 72 ; Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 1.
191 Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 16f.
192 AStL, Altakten, Sch. 171 ; Pichler-Baumgartner, Wege, 45 u. 78 ; Heller, Wasserversorgung, 6f.
193 Pichler-Baumgartner, Wege, 60 – 62 u. 100 – 102 ; diese Unterschriftenliste ist als OÖLA, Musealar-
chiv, HS 431 überliefert.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364