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130 | Energie und Biomasse
entfernt gebe es extensive Weidewirtschaft.152 Thünen betrachtete sein Modell expli-
zit als Modellannahme und betonte, dass – da die Städte nicht voneinander isoliert
seien und Flüsse als Transportmittel die Settings erheblich veränderten
– die Realität
komplexer sei.153 Dies zeigt sich auch für Linz : Thünens »zweiter Kreis« (Forstwirt-
schaft) lag für Linz in der Regel weiter entfernt als der dritte bis fünfte »Kreis« (ver-
schiedene Formen des Ackerbaus), wenngleich der Getreidebezug – im Hinblick auf
die Entfernung – durchaus dem sechsten Kreis (extensive Viehzucht) nahekommen
konnte. Hier liegt das hauptsächliche Defizit des Thünen’schen Modells : Unberück-
sichtigt blieben Dynamiken (die Auswirkungen resp. Wechselwirkungen kurzfristiger
Impacts wie langfristiger Veränderungen) und geo- und hydromorphologische Spezi-
fika der konkreten Orte.154
Die innere Stadt verfügte, wie Pläne aus dem 18. Jahrhundert zeigen, kaum über
Flächen, die zur Nahrungsmittelversorgung beitrugen : Das »Josephinische Lagebuch«
erfasste in den 1780er Jahren Gartenflächen von nur rund 6.000 Quadratmetern (d. h.
ca. 5 Prozent der Gesamtfläche), die jedoch eher als Ziergärten zu sehen sind.155 Die
Stadt »consumirt ihre wenigen Garten Produkte selbst«, gab der 50 Jahre später ent-
standene »Franziszeische Kataster« an.156 Über dieses Katasterwerk ist ein Einblick
in die innerstädtischen Gärten möglich, deren Fläche nun – nach der Abtragung der
Stadtmauer – mit ca. 18.000 Quadratmetern angegeben wurde. Dort wurden Ge-
müse, Salate, Kohl und »Grünzeug« angebaut, dazu gab es »veredelte Obstgattun-
gen«. Die Gärten erhielten »kräftigste Düngung« und »bestmöglichste Pflege«, die
Qualität der Erzeugnisse sei als gut zu erachten, und diese fanden, sofern es nicht
der Eigenversorgung diente, »in loco der Stadt selbst jederzeit den besten Absatz und
Kaufmannswerth«.157 Weitaus umfangreichere landwirtschaftliche Flächen bestanden
in den Vorstädten, besonders südwestlich und südöstlich der inneren Stadt, wo der
für die Gartenwirtschaft gut geeignete und ertragreiche Boden der Niederterrasse in-
tensiv genutzt wurde.158 Viele Toponyme verweisen für diese Gegend auf eine frü-
here landwirtschaftliche Nutzung, z. B. Baumgärten (untere Promenade), Spittelwiese
(Herrengasse) oder Weingarten und Kapuzinerfeldgasse (Kapuzinerviertel).159 Zudem
befanden sich größere Gartenanlagen östlich der inneren Stadt zwischen dem Ludl-
graben und der Donau. Die Gärten lagen in den Vorstädten meist unmittelbar bei den
152 Vgl. Cronon, Metropolis, 48 – 52 ; Barles/Knoll, Transitions, 33f. u. EdN, s.v. Thünensche Ringe.
153 Thünen, Staat, 1f.
154 Vgl. Castonguay, Agriculture, 187f.
155 OÖLA, Josephinisches Lagebuch, HS 190 (Linz Stadt).
156 OÖLA, Franziszeischer Kataster, No. 534 (Operat 1 u. 2, Braune Mappe, Linz-Stadt, Preisberichti-
gungsprotokoll, 7.12.1831).
157 Ebd. (Operat 1 u. 2, Braune Mappe, Linz-Stadt, Katastralschätzungs-Elaborat, 18.12.1832).
158 OÖLA, Josephinisches Lagebuch, HS 191 (Linz Obere Vorstadt) ; vgl. zur urbanen und suburbanen
Landwirtschaft : Soens, Agriculture, 13 – 28 u. Miodunka, Longue Durée, 75 – 94.
159 Pfeffer, Naturfreude, 205 ; vgl. OÖLA, Karten- und Plänesammlung, V/8 (Stadtplan, 1781).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364