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258 | Epidemie
straße – war ursprünglich ein Pestlazarett gewesen, das zwischen dem Beginn des 17.
und der Mitte des 18. Jahrhunderts über eine Stiftung 20 Insassen versorgte und da-
nach (bis 1789) als Ordenskrankenhaus fungierte (vgl. unten). Im Wörth – an der öst-
lichen Burgfriedsgrenze – war in den 1640er Jahren durch die Stadt ein Pestlazarett
geschaffen worden, das auch als Krankenhaus genutzt wurde.37 Gleichzeitig zeichnet
sich ein Erfahren und Wahrnehmen der Pest als temporäre, nichtalltägliche Bedrohung
ab, mit deren Verschwinden auch die medizinischen und hygienischen Ambitionen
wieder abnahmen. So dachten z. B. die Stände 1718 darüber nach, die Anzahl der Ärzte
aus finanziellen Gründen zu reduzieren.38 Dennoch wurde – gerade im Kontext der
Pest – während des 18. Jahrhunderts ein grundsätzlicher und latenter Überwachungs-
zustand aufrechterhalten.39 Zwischen 1728 und der Mitte des 19.
Jahrhunderts bestand
in Ungarn ein ständiger »Pestkordon«, der die westlichen Teile der Habsburgermonar-
chie schützen sollte,40 auch die – vermutlich selbst aus dem Pestkontext stammende –
Wiener Sanitäts-Hofkommission existierte weiter.41 Vor Ort wurden die Häufung von
Infektionskrankheiten oder der Ausbruch von Viehseuchen genau registriert, wie die
Korrespondenz der Linzer Patrizierfamilie Thürheim nahelegt.42
Im 18.
Jahrhundert führten die »ansteckende[n] Krankheiten« eher in Kombination mit
anderen Krisen zu einer Übersterblichkeit (vgl. Tab. 30 und Kap. 10. Versorgungskrise).43
Ein Beispiel dafür ist das epidemieartige Szenario bei der Belagerung von Linz im Winter
1741/1742 : Mehrere hundert Verwundete wurden in städtischen Institutionen und Pri-
vathäusern untergebracht, zahlreiche verstorbene Soldaten hatte man in situ, in den Gär-
ten begraben, dazu kam eine Lebensmittelknappheit.44 Dies resultierte, obwohl die frem-
den Soldaten Linz im Jänner 1742 verlassen hatten, in einer überdurchschnittlich hohen
(zivilen) Sterblichkeit, die bis ins Jahr 1743 andauerte. Und auch die hohe Sterblichkeit
der Jahre 1762/1763 fiel mit einer Zeit starker militärischer Präsenz in Linz zusammen –
sie erhöhte offenbar die Vulnerabilität der Zivilgesellschaft (vgl. Tab. 30).
Für Linz ist ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine Expansion der medizinischen
Infra strukturen zu beobachten, die von »oben« (durch die Stände bzw. den Staat) resp.
von »außen« (durch die Neuansiedlung von Krankenpflegeorden) ausging. Ab 1745
bestand für Frauen das Krankenhaus der Elisabethinen und ab 1757 für Männer das
37 Kreczi, Häuserchronik, 192, 262f. u. 301 ; Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 1, 361 ; Knörlein, Ge-
schichte, 10 ; LR BIIG5, Reg. 2761 (117).
38 LR BIIG4, Reg. 2237 (19).
39 Pfister, Bevölkerungsgeschichte, 42.
40 Lesky, Gesundheitswesen, 16 – 18 ; Reichert, Pest, 352f.; Briese, Angst, Bd. 1, 242 – 244 ; vgl. zu den
Kordons und ihren Auswirkungen : Mauelshagen, Pestepidemien, 261f.
41 Lesky, Gesundheitswesen, 40 – 47 ; Macher, Handbuch, Bd. 1, 55 u. LR BVI2, Reg. 1248 – 1250 (188f.).
42 LR BIIG4, Reg. 2490 (246f.) ; LR BIIG5, Reg. 2664 (85).
43 Pillwein, Wegweiser, 39.
44 LR E1c, Reg. 2971 (109 – 111) ; ebd., Reg. 2974 (111f.) ; LR CIIIC3, Reg. 610 (257) ; LR BIIA40, Reg.
19799 (166f.) ; LR BVI2, Reg. 1246 (187).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364