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und nahe Cholera |
Jahrzehnten, wenngleich nun auch die Hausbesitzer zur regelmäßigen Reinigung und
Desinfektion der Kanäle und Senkgruben (mit Eisensulfat und Chlorkalk mit Schwe-
felsäure) aufgefordert wurden und das neue Krankenhaus als Choleraspital herangezo-
gen werden konnte.158 In der Praxis wurde aber, wie ein Gemeinderat im Herbst 1873
betonte, die »Aufforderung zur Desinfektion in den meisten Privathäusern entweder
gar nicht oder nur in mangelhafter Weise befolgt«. Trotz einiger Widerstände (strittig
war der Zwang) beschloss man, Desinfektionen auf Kosten der säumigen Hausbesitzer
durch die Stadt zu übernehmen.159 Dabei zielte zu dieser Zeit eine »Desinfection«
offenbar immer noch stark darauf ab, »Gestank« und »Ausdünstungen […] durch an-
dere Stoffe unschädlich« zu machen,160 auch die
– bereits bei der Epidemie der 1830er
Jahre geäußerte – Empfehlung der »Reinlichkeit des Hauses und des Körpers« blieb
Bestandteil der publizistischen Empfehlungen zur Abwehr der Cholera.161
Die Cholera hatte die Aufmerksamkeit von anderen Infektionskrankheiten abgezo-
gen : Linz wies um 1870 – im Vergleich mit anderen österreichischen Städten – eine
erhöhte Mortalität auf, die sich nicht auf epidemisch, sondern auf endemisch auftre-
tende Infektionskrankheiten zurückführen lässt.162 Zwischen den Jahren 1873 und
1880 wurde Tuberkulose als Ursache für rund 23 Prozent der Sterbefälle festgestellt,
während es bei Typhus – der in Linz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht
epidemisch auftrat – nur 1,7 Prozent waren.163 Beide Krankheiten blieben über die
Jahrhundertwende hinaus in Linz präsent, wenngleich die Typhusmorbidität und
mortalität mit der Etablierung der neuen Wasserinfrastruktur deutlich sanken.164 Ins-
gesamt hatte die Cholera in Linz zwar keine großen Auswirkungen auf die städtische
Mortalität, dafür aber seit den 1850er Jahren auf den Diskurs zur medizinischen In-
frastruktur und ab den 1860er Jahren auf den Diskurs zur Modernisierung der Was-
serinfrastruktur. Als man im Herbst 1892 erneut »Vorkehrungen« gegen die Cholera
traf, gab sich der Linzer Bürgermeister davon überzeugt, dass die Kombination von
städtischer Sauberkeitsaufsicht, transportablem »Desinfections-Apparat nach dem
System Thurnfield« und der modernen Infrastruktur – die »von dem ernsten Streben
der Landeshauptstadt nach gründlicher Assanierung« zeuge – die Resilienz der Stadt
erhöht habe.165
158 GRP 1872, fol. 313b – 314b.
159 GRP 1873, fol. 292a – 293b ; ähnlich zehn Jahre später : RB 1883, 109.
160 LVB, 31.7.1873.
161 LTP, 23.8.1873.
162 Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 6 – 8.
163 Pichler-Baumgartner, Wege, 110f.
164 Statistische Monatschrift 20 (1894), 98 ; RB 1897, 197 ; Pichler-Baumgartner, Wege, 113f.
165 RB 1892, 198 – 201.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364