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278 | Versorgungskrise
war und in Teillieferungen bis zum Ende des Jahres erfolgte.28 Im Mai 1771 orga-
nisierten die Linzer Bäcker, die möglicherweise schon zuvor regelmäßig Getreide in
größeren Mengen aus Oberungarn bezogen hatten, eine Getreidelieferung : Belegt ist
ein Liefervertrag zwischen einem Linzer Schiffmeister und einem Konsortium von
Linzer Bäckern über die Lieferung von 3.000
Metzen (ca. 130
Tonnen) Getreide. Der
erste Teil dieser Lieferung wurde im Juli 1771 in Wien, ein zweiter Teil im September
in Stockerau beschlagnahmt und das Getreide – gegen spätere Entschädigung – der
oberösterreichischen Landschaft übergeben, also nach Linz weitertransportiert.29 Ein
weiterer, ähnlich dimensionierter Transport wurde nicht beschlagnahmt.30
Im Verlauf des Jahres 1771 passierte auch ein Getreidetransport der Wiener Hof-
kammer mit rund 3.000 Metzen, der für das tirolerische Schwaz bestimmt war, Linz.
Aufgrund des hohen Preises – pro Metzen hätte der Weizen 5 fl und der Roggen 4 fl
56 kr gekostet – wurde das Getreide in Schwaz aber nicht angenommen, der Transport
drehte bereits in Rosenheim um und kehrte nach Linz zurück. Dort stellte man fest,
dass ein Teil der Ladung verdorben war, einen Teil verkaufte man, wobei dafür
– da die
Stände nicht Eigentümer des Getreides gewesen waren – ex post eine Ablöse bezahlt
werden musste.31 Nachdem die Ernte des Jahres 1771 in Oberösterreich noch schlech-
ter als die des Vorjahres ausgefallen war, beschlossen die Landstände im September
1771, 60.000 Metzen Roggen in Ungarn anzukaufen, und schickten dazu einen Ab-
geordneten nach Ungarn, der aber keinen Vertrag abschließen konnte, da niemand vor
Anfang April Preise festlegen wollte.32 Somit ersuchte man um staatliche Hilfe und
bekam »Aerialgetreide« zugesagt. Dafür und für zusätzlich durch die Stände angekauf-
tes Getreide wurden mit Linzer Schiffmeistern Transportverträge abgeschlossen – dies
kostete 250.000 fl, davon entfielen auf den Transport 70.000 fl. Hatte das Getreide in
Ungarn pro Metzen noch 2 bis 2 ½ fl gekostet, so hatte sich das Getreide bis Linz auf
über 4 fl verteuert.33 Abgegeben hat man das Getreide aber unter diesem Preis.34
Der Wassertransport war zwar deutlich billiger als der Landtransport, er barg aber
dennoch Probleme : Der Höhepunkt der Getreideknappheit trat im Winter 1771 auf
und fiel mit einem niedrigen Wasserstand der Donau zusammen, auch waren bei
deutlich gestiegener Nachfrage die Transportkapazitäten begrenzt oder Schiffmeis-
ter bereits mit Verträgen gebunden.35 Ein Linzer Schiffmeister konnte 1771 keine
Transporte für die Landstände durchführen, da er für das Militär Getreide beförderte.
28 Kumpfmüller, Hungersnot, 107 u. 114.
29 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 930, G.XXIII.2/No. 38.
30 Kumpfmüller, Hungersnot, 108.
31 Ebd., 108 – 110.
32 Ebd., 111 – 114.
33 Ebd., 114 – 116 ; OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 930, G.XXIII.2/No. 47 ; vgl. Neweklowsky, Getreide-
transport, 344 – 347.
34 LR BIIA7, Reg. 9677 (144).
35 Kumpfmüller, Hungersnot, 63f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Title
- Transformationen städtischer Umwelt
- Subtitle
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Author
- Georg Stöger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 368
- Keywords
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364