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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45 teilen, dass sie »folglich in größerer Menge angestellt« werden müsse, da erstens die Juden »ihrer Religionsbräuche wegen zu vielen Ämtern gar nicht anwendbar« seien, und zweitens durch solche Anstellungen »die Nachkömmlinge wieder geduldet wer- den« müssten (gemeint ist die daraus resultierende Erhöhung der Gesamtzahl der Tolerierten), was unausweichlich zur »Überschwemmung des hiesigen Platzes« füh- ren müsse.139 Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz Über die bis zum Revolutionsjahr 1848 bestehende Institution des Judenamtes ur- teilt etwa der jüdische Historiker Gershon Wolf, dass diese Institution keinen an- deren Zweck gehabt habe, »als die Juden zu erniedrigen und zu demütigen und die Beamten daselbst zu bereichern«.140 Der Begriff der Toleranz wurde dabei vollkom- men pervertiert.141 Hatte sich dieser in der Epoche Josephs II. von seinen ehemals negativen Konnotationen gelöst und meinte schlicht Duldung142, so wurde er zu- nehmend zu einem Synonym für »Beamtenwillkür und Gehässigkeit«.143 Umge- kehrt gab es in der Hofkanzlei, wo der josephinische Geist nach wie vor lebendig war  – oft gegen das Judenamt, die Polizeidirektion und die niederösterreichische Statthalterei  –, ein Bemühen, die Rechte der Juden zu wahren und das ursprüngliche Ziel einer Annäherung der Juden an die übrige Bevölkerung und ihrer Erziehung zu »nützlichen Staatsbürgern« auf gesetzlichem Wege umzusetzen.144 Dabei wird die Hofkanzlei zur Hüterin der Toleranzpatente. Wenn in zahlreichen Berichten der nie- derösterreichischen Regierung immer wieder auf die »schädliche Vermehrung der Juden pflichtgemäß aufmerksam« gemacht, vor deren »Geschmeidigkeit«, »Arglist«, 139 Franz II. erteilte am 17. November 1796 das Placet. AVA Inneres, Hofkanzlei IV T 1, aus November 1796. 140 Wolf, Geschichte der Juden, S.  101. 141 Zur Genesis des Begriffs »Toleranz« vgl. Frank Surall : Juden und Christen  – Toleranz in neuer Perspektive. Der Denkweg Franz Rosenzweigs in seinen Bezügen zu Lessing, Harnack, Baeck und Rosenstock-Huessy (Gütersloh 2003), S.  14ff. 142 Vgl. Peter F. Barton : Der lange Weg zur Toleranz, in : Peter F. Barton (Hg.), Im Lichte der Toleranz. Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung des 18. Jahrhunderts in den Reichen Joseph II., ihren Voraus- setzungen und ihren Folgen. Eine Festschrift (Wien 1981), S.  11–32. 143 Wolfgang Gasser : Neues aus der »Stadt der Toleranz«. Tolerierte und getaufte Juden, Da Ponte und Mozart, in : Werner Hanak (Hg.) : Lorenzo da Ponte. Aufbruch in die Neue Welt. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung (Ostfildern 2006), S.  63–80, hier : S.  79. Siehe dazu derselbe : Jüdische DienstbotInnen in Wien  – von den napoleonischen Kriegen, dem Biedermeier bis zur 1848-Revo- lution (Wien 2001). 144 Tietze, Juden Wiens, S.  134. Zum Erziehungsparadigma vgl. auch : Simone Lässig : Jüdische Wege ins Bürgertum (Göttingen 2004), S.  68f.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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