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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 86 -
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86 Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs kaum, dass Juden sowohl unter den »Heimatlosen« und »Ausländern« als auch den Eingebürgerten über Jahrzehnte einen sehr hohen Prozentsatz ausmachten. Um die Jahrhundertwende war Wien in Europa die Stadt mit dem drittgrößten Anteil an jüdischen Einwohnern298, doch viele von ihnen blieben ohne österreichische Staats- bürgerschaft und/oder ohne Heimatrecht in Wien299, was im Falle von Subsistenz- losigkeit (Besitz- oder Erwerbslosigkeit) erneut die Ausweisung in die Heimatge- meinde (den Ort der »politischen Zuständigkeit«) bedeuten konnte  – ein Schicksal, das sie allerdings mit vielen nichtjüdischen, vor allem aus den slawischen Teilen der Monarchie kommenden Migranten und Migrantinnen teilten.300 Die dualistische Verschärfung Die oft doppelte Fremdheit ungarischer Juden (im heimatrechtlichen und/oder staatsbürgerschaftsrechtlichen Sinn) in der österreichischen Reichshälfte erfuhr im Jahre 1879 noch eine wesentliche Verschärfung, als sich Ungarn in Ausübung sei- ner staatlichen Autonomie ein modernes Staatsbürgerschaftsgesetz gab, das sich in seinen Prinzipien eher am französischen Modell und teilweise am deutschen Gesetz über die Reichs- und Staatsangehörigkeit von 1870 orientierte als an den österreichi- schen Gesetzesbestimmungen.301 Diese dualistische Verschärfung führte nicht nur zu einer wechselseitigen staatsrechtlichen Schließung, sondern auch zu zahlreichen Ungereimtheiten und Kuriosa in der Praxis der Staatsbürgerschaftsgesetzgebung. So ließ das ungarische Staatsbürgerschaftsgesetz im Gegensatz zum österreichischen (cisleithanischen) grundsätzlich Doppelstaatsbürgerschaften zu, sodass es für einen 298 Michael John : Mosaik, Schmelztiegel, Weltstadt Wien. Migration und multikulturelle Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, in : WIR. Zur Geschichte und Gegenwart der Zuwanderung nach Wien (Wien 1996), S.  137–144, hier : S.  139. 299 Von der um 1900 in Cisleithanien lebenden etwa eine halbe Million »Ausländern« waren 15,89 Prozent jüdischer Konfession. Von diesen 78 841 ausländischen Staatsbürgern  – die meisten davon lebten in Wien  – waren wiederum etwa drei Viertel (59 682 Personen) ungarische Staatsangehörige. Vgl. Thon, Juden, S.  50. 300 Während in Galizien, dem Kronland mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil, von 1000 Einwohnern 838 heimatberechtigt waren, besaßen, nach der Volkszählung von 1890, in Wien (Niederösterreich) von 1000 Personen nur noch 415 das Heimatrecht in Wien. Erst nach der Jahrhundertwende ließen eine rigoros gehandhabte Abschiebepraxis auf der einen und die Hei- matrechtsreform von 1905 auf der anderen Seite die Zahl der Personen ohne Heimatrecht geringer werden. Vgl. Wendelin, Schub, S.  227. 301 Gesetzesartikel L : 1879 über den Erwerb und Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft. Text und Genesis dieses Artikels in : Emanuel Milner : Die österreichische Staatsbürgerschaft und der Ge- setzesartikel L : 1879 über den Erwerb und Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft (Tübingen 1880), S.  3.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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