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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 155 -
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Seite - 155 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155 Endpunkt des langen und mit großer juridischer Finesse betriebenen Prozesses der Entrechtung und Depersonalisierung der Juden.558 Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung«559 Unter dem Datum des 12. Dezember 1941 findet sich im Dienstkalender Heinrich Himmlers die knappe Eintragung : »Bis 19 h (Führerwohnung)«.560 Abweichend von den übrigen Eintragungen gibt es hier keine Tagesordnungspunkte, keine Teil- nehmer, keinen Hinweis darauf, was sich an jenem Abend in den Privaträumen Hit- lers in der Reichskanzlei ereignet hat. In Berlin hatte an diesem Tag eine Reichs- und Gauleitertagung sowie die Vereidigung Arthur Seyß-Inquarts stattgefunden (an der Himmler teilnahm), davor, um 11.50 Uhr, hatte er ein kurzes Gespräch mit dem Staatssekretär im Innenministerium, Wilhelm Stuckart, geführt.561 Handelt es sich bei der unscheinbaren Notiz, »Bis 19 h Führerwohnung«, um ein Indiz für den Be- fehl Adolf Hitlers zur »Endlösung«, d. h. den Befehl, alle im Reichsgebiet und den besetzen Gebieten sich befindenden Juden planmäßig und mit industriellen Mitteln ermorden zu lassen ? Unser Wissen über den Holocaust ist auch heute noch  – 50 Jahre nach dem Er- scheinen von Raul Hilbergs »The Destruction of the European Jews« (mit dem die wissenschaftliche Erforschung des Holocausts überhaupt erst anhob)562  – fragmenta- Vgl. Michael Pammer : Jüdische Vermögen in Wien 1938 (=  Veröffentlichung der Österreichischen Historikerkommission 8) (Wien/München 2003), S.  143. 558 Der Begriff Depersonalisierung wird hier nicht im psychatrischen Sinne verwendet, sondern im Sinne der allgemeinen Folgen der gravierenden Einschränkung von Persönlichkeitsrechten. Durch eine Unzahl von demütigenden Polizeiverordnungen und eine totale Überwachung sollte das All- tagsleben von Juden derart eingeschränkt werden, dass die gewohnte Lebenspraxis verunmöglicht wurde. So wurden ab 15. November 1938 jüdische Kinder vom allgemeinen Schulbesuch ausge- schlossen, mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurde Juden der Besitz von Rundfunkgeräten verboten, ab Dezember der Besitz und das Führen eines Kraftfahrzeuges, ab 19. Juli 1940 war der Besitz eines Telefons untersagt ; die Haltung von Haustieren und das Benutzen von Leihbibliothe- ken wurde Juden ebenfalls verboten. 559 Erweiterte Fassung eines Vortrags beim 15. kulturanthropologisch-philosophischen Canetti-Sym- posium »Macht und Gewalt, im Herbst 2002, erstmals publiziert in : Hannelore Burger : Die Aus- bürgerung der reichsdeutschen Juden und der Befehl zur »Endlösung«, in : John D. Pattillo-Hess/ Mario Smole (Hg.) : Macht und Gewalt (Wien 2003), S.  90–99. 560 Peter Witte et al (Hg.) : Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42 (=  Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Quellen 3) (Hamburg 1999), S.  289. 561 Ebenda. Zur Rolle Himmlers bei der »Endlösung« vgl. Peter Longerich : Heinrich Himmler. Bio- graphie (München 2008), S.  575 und 921. 562 In den USA erschien das Werk 1961 ; deutsche Erstausgabe : Raul Hilberg : Die Vernichtung der euro- päischen Juden (Berlin 1982) ; deutsche Taschenbuchausgabe in 3 Bänden (Frankfurt a. M. 1990).
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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