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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 114 -
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114 Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit Hinwendung der Juden zur polnischen Umgangssprache kam und knapp vor dem Ersten Weltkrieg selbst in der Bukowina, wo der Antisemitismus erst spät manifest wurde.396 Sprachen, Nationalitäten, Identitäten Doch schon im Jahr 1874 waren anlässlich einer Debatte im Abgeordnetenhaus die Versuche deutschliberaler Abgeordneter, die Juden umstandslos den Deutschen zurechneten, entschieden zurückgewiesen worden. Gegen den Versuch, »eine Kon- fession zu irgend einem Motiv der Unterrichtssprache« zu gebrauchen, hatte sich damals der jüdische Abgeordnete Albert Mendelsburg gewandt. Mendelsburg wies darauf hin, dass die Juden Galiziens zum allergrößten Teil sich der polnischen Spra- che bedienten und warnte davor, neben der nationalen Frage auch noch die religi- öse Frage zu provozieren, indem man die Juden Galiziens als eine Nation hinstellte. Galizien, so Mendelburg, sei von Polen und Ruthenen bewohnt, zwischen ihnen lebten Juden. Die Juden seien als eine Konfession zu betrachten, von denen lediglich eine Minderheit deutscher Sprache sei.397 Damit war ein Motiv berührt worden, das noch jahrzehntelang den nationalitätenpolitischen Diskurs beschäftigen sollte, die Frage nämlich, ob die Juden Österreichs als eigene Nationalität gelten sollten. Sie sollte viele Jahre später  – anlässlich der Debatten um den bukowinischen Ausgleich  – durch mehrere Erkenntnisse des Reichsgerichts verneint werden.398 Die Nichtanerkennung der Juden als Nationalität und die Nichtanerkennung des Jiddischen als Umgangssprache (und damit als Amts- oder Unterrichtssprache) erwies sich jedoch für die Juden Galiziens und der Bukowina kaum als Nachteil. Im Gegen- teil lässt sich zeigen, dass Juden an dem, was heute »galizische Bildungsrevolution« 396 Vgl. Emil Brix, Umgangssprachen, S.  356. 397 Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhaus, 43. Sitzung, 8. Session, 27. März 1874, S.  1532, zit. nach : Burger, Sprachenrecht, S.  70, siehe dazu auch : Harald Binder : Galizien in Wien. Par- teien, Fraktionen und Abgeordnete im Übergang zur Massenpolitik (=  Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 29) (Wien 2005), S.  350. 398 In seinem Erkenntnis Nr. 1722 vom 26. Oktober 1909 wies das Reichsgericht eine Beschwerde des jüdischen Anwaltes Dr. Max Diamant aus Czernowitz wegen Verletzung des durch die Ver- fassung gewährleisteten Rechtes auf Wahrung und Pflege der Nationalität im Hinblick auf die jiddische Sprache mit dem Leitsatz zurück : »… die ganze historische Entwicklung der österrei- chischen Gesetzgebung in Ansehung dieser rechtlichen Stellung geht dahin, die Juden nicht als einen Volksstamm (eine Nationalität), sondern  – als Bekenner der mosaischen Religion  – als eine Religionsgesellschaft anzusehen und als solche zu behandeln.« Hye-Hugelmann, Erkenntnisse, Nr. 1722, S.  772. Siehe dazu auch : Gerald Stourzh : Galten die Juden als Nationalität Altösterreichs ? In : Anna M. Drabek et al. (Hg.), (=  Studia Judaica Austriaca 10) (Eisenstadt 1984), S.  73–117.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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