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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 117 -
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Seite - 117 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117 Ähnlich wie in Mähren nach dem Ausgleich von 1905 gab es in Zusammenhang mit den Verhandlungen zum bukowinischen Ausgleich 1909/10 von deutschnationaler Seite Bestrebungen, einsprachige »Nationalschulen«, deren Besuch für die Czerno- witzer Volksschüler verpflichtend sein sollte, durchzusetzen. Gegen die geforderte Nationalisierung des Volksschulwesens wurde insbesondere von jüdischer Seite Ein- spruch erhoben. In einer Sitzung des Landesschulrats wandte Dr. Josef Billig  – un- terstützt von Oberrabbiner Dr. Rosenfeld  – ein, dass das Gesetz den Staatsbürgern in Anerkennung der sprachlichen Gleichberechtigung das Recht und nicht die Pflicht zuspräche, für ihre Kinder eine Schule mit der Unterrichtssprache ihrer Nationalität zu begehren. Am Ende der Landesschulratssitzung wurde schließlich  – gegen die Vorstellungen des deutschnationalen Vertreters  – beschlossen, dass es für die Eltern Czernowitzer Kinder keine Verpflichtung geben sollte, ihre Kinder für eine national homogene Klasse anzumelden.407 Was in dieser Debatte des bukowinischen Landesschulrats  – ein Konzert von vier sehr verschiedenen deutschen Stimmen  – deutlich wird, ist, dass der seit dem Vor- märz erschallende Ruf nach einem Recht auf den Gebrauch der Muttersprache gegen Ende des Jahrhunderts sich geradezu in eine Pflicht kehrt, sich ausschließlich dieser zu bedienen. Betrachtet man den pädagogischen Diskurs dieser Zeit, so ist zu kons- tatieren, dass hier ein wahrer Prozess gegen Polyglossie, gegen »Mehr- und Vielspre- cherei« geführt wurde, in der man  – vor der jetzt geschichtsmächtig werdenden Folie der Sprachnation, wie sie im Anschluss an Herder, Humboldt und Fichte gedacht wurde408  – ein Zeichen der Dekadenz und eine Bedrohung des noch sehr filigranen Konstrukts der nationalen Identität erblickte. Die Sprache des Anderen wurde zu- nehmend zur Fremd-Sprache  – zur Sprache des Feindes gar  –, und Mehrsprachigkeit geriet immer schon unter Verdacht, ein Verdacht, der sich in besonderem Maße gegen Juden richtete und zwar gerade dann, wenn sie sich der deutschen Sprache bedienten. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte Die Durchführung der sogenannten nationalen Autonomie, die Einführung von national getrennten Wahlkatastern (1905 in Mähren, 1910 in der Bukowina, 1914 in Galizien und, wie viele hofften, bald in ganz Cisleithanien), die damit verbun- 407 Vgl. Burger, Bukowina, S.  110f. 408 In welcher Weise das philosophische Konzept der »sprachbestimmten Kulturnation« zum Exklu- sionsinstrument gegen Juden im Deutschen Reich gewendet wurde, beschreibt Arndt Kremer in seiner hervorragenden Dissertation : Arndt Kremer : Deutsche Juden  – deutsche Sprache. Jüdische und judenfeindliche Sprachkonzepte und  –konflikte 1893–1933 (Berlin 2007), S.  25ff.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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