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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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62 Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus Juden.194 Die Emanzipation der Juden war also, wie Walter Grab nüchtern feststellt, gerade nicht ein »Ergebnis des revolutionären Erbes von 1848«. Sie war keineswegs auf demokratischem Wege durchgesetzt195, sondern von oben dekretiert worden und möglicherweise deshalb  – wie der Wiener Prediger Isaak Noah Mannheimer befürchtet hatte  – umso leichter wieder rücknehmbar.196 Auch Benjamin Kewalls Empfindungen waren zwiespältig, als er am Morgen des 7.  März 1849 die aufgeregten »Menschenhaufen« beobachtete, die sich an allen Stra- ßenecken zusammenrotteten, um die neueste Proklamation der kaiserlichen Regierung zu diskutieren : »Der Reichstag ist aufgelöst, die neuen Kammern werden aus einem Ober- und Unterhause bestehen, die Juden sind emanzipiert«. Am Nachmittag hätten sich die Gemüter dann beruhigt, da, wie er schreibt, »die vielen liberalen Punkte der Verfassung« die »reichen Bürger und Juden« versöhnt hätten.197 Für sich selbst aber sah Kewall vor allem die Gefahr einer Ausweisung aus Wien, sollten doch bald nach dem Erlass der oktroyierten Märzverfassung Juden, die in Wien kein Heimatrecht besaßen (und dazu gehörte auch der im mährischen Polná geborene und heimatberechtigte Journalist), aus der Stadt abgeschoben werden. In seinem Tagebuch notierte er unter dem 27. April 1849 : »Heute muß jeder auf einen Zettel seine Beschäftigung, Geburts- ort und Religion angeben und dies durch den Hausherrn der Polizei zukommen lassen, damit diese in ihrer hohen Weisheit erwägt, wer fortgejagt werden soll oder nicht. Es scheint berechnet zu sein, sich einer großen Zahl Juden zu entledigen. So wie denn überhaupt die Fremden aufs Korn genommen werden sollen  …«198 Juden als österreichische Reichsbürger Dennoch : Obwohl die Märzverfassung von 1849 eine »oktroyierte«, d. h. von der Regierung eingesetzte, war und nach dem kühnen Verfassungsentwurf von Kremsier 194 Kaiserliches Patent 151 »über die durch die konstitutionelle Staatsform gewährleisteten politischen Rechte« vom 4. März 1849. 195 Grab, Judenemanzipation, S.  26. 196 Vgl. Lohrmann, Finanz, S.  206 ; zu Mannheimer siehe auch : Marsha L. Rozenblit : Jewish Identity and the Modern Rabbi : The Cases of Isak Noa Mannehimer, Adolf Jellinek, and Moritz Güde- mann in Nineteenth-Century Vienna, in : Leo Baeck Institute Year Book XXXV (1990), S.  103– 131, hier : S.  104–110. 197 Gasser, Erlebte Revolution, S.  341. 198 Ebenda, S.  369. Ein Schicksal, das ihn wenige Jahre später tatsächlich ereilt habe dürfte. Sein Biograph und Herausgeber des Tagebuchs, Wolfgang Gasser, vermag zwar keine genauen Ursachen für Kewalls plötzliche Rückkehr nach Polná anzugeben, sieht dahinter jedoch ein »einschneidendes, traumatisches Erlebnis«, das alle Chancen in seinem Leben zunichte gemacht habe. Vgl. Gasser, Erlebte Revolution, S.  132
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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