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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 188 -
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188 Staatenlosigkeit als Massenschicksal eines übernationalen Vielvölkerreiches : des Osmanischen Reiches im Falle Canetti, der österreichisch-ungarischen Monarchie im Falle Sperber. Beide hatten jahrzehn- telang in Österreich gelebt und waren durch viele Schicksalsfäden mit diesem Staat verbunden. Und beide Fälle verdeutlichen, in welch hohem Maße die Probleme des Staatsbürgerschaftsrechtes und der Staatenlosigkeit in den Biographien von Men- schen relevant werden können. Der Fall Elias Canetti 658 Über Elias Canettis Staatsbürgerschaft sagt uns sein Biograph Sven Hanuschek : erst türkisch, dann staatenlos, dann britisch, »eigentlich aber Kosmopolit«.659 Geboren wurde Elias Canetti am 25. Juli 1905 in Rustschuk/Russe, einer Stadt im heutigen Bulgarien. Zur Zeit seiner Entstehung war Bulgarien, nach dem Willen des Berliner Kongresses, ein autonomes, dem Sultan gegenüber tributpflichtiges Fürstentum  – Teil des Osmanischen Reiches. 1908 wurde es ein unabhängiges Königreich. Nach damaligem Selbstverständnis lag es außerhalb Europas. »Wenn jemand die Donau hinauf nach Wien fuhr«, erzählt Canetti, »sagte man, er fährt nach Europa, Europa begann dort, wo das türkische Reich einmal geendet hatte«.660 Wie die meisten Sepharden (Nachfahren der Ende des 15. Jahrhunderts aus Spa- nien vertriebenen Juden) waren die Canettis auch nach der Unabhängigkeit Bulgari- ens Untertanen des Sultans geblieben. Das hatte gute Gründe. Über 150 000 Juden waren einst aus Sepharad (so der hebräische Name für Spanien) geflohen, siedelten sich in Italien, Portugal und allen Mittelmeerstaaten an, zogen ihre Flucht-Spur ent- lang der nordafrikanischen Küste bis in das Osmanische Reich. Dort waren sie von Sultan Bayazid II. freundlich aufgenommen worden, der über die Dummheit der spanischen Könige nur spotten konnte, hatten diese doch, wie er meinte, ihre eige- nen Länder beraubt und die seinen bereichert.661 Canettis Großvater Elias und dessen Brüder Abraham und Moisse waren in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts von Adrianopel nach Rustschuk gekommen (Ab- raham Canetti wurde später zum österreichisch-ungarischen Konsul ernannt). Auch der Großvater mütterlicherseits, Nissim Arditti  – ein Sohn des angesehenen jüdi- 658 Der Text wurde von mir zuerst beim Internationalen Canetti-Symposium in Wien 2005 vorgetra- gen und in einer ersten Fassung unter dem Titel »Staatenlos. Die Verrätselung einer Biographie« veröffentlicht, in : John D. Pattillo-Hess/Mario R. Smole (Hg.) Elias Canetti  – Chronist der Mas- sen, Enthüller der Macht (Wien 2006), S.  83–96. 659 Sven Hanuschek : Elias Canetti. Biographie (München/Wien 2005), S.  511. 660 Elias Canetti : Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend (Frankfurt a. M. 1992), S.  9. 661 Vgl. Hanuschek, Canetti, S.  35, siehe auch : Mordechai Arbell : Die Wanderung der Sepharden, in : 4. Internationales Theodor Herzl Symposium, Wien 8.–11.4.2002. Bericht (Wien 2002), S.  27–32.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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