Seite - 193 - in Jemen - Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
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REISE DURCH DEN JEMEN
193 Einige Zeit nach Amran sahen wir das kleine Städtchen
Raidah auf einem Berg. Hier gab es viele Kinder mit
lang herunterhängenden Zipfelkapuzen und Frauen mit
lila Schleiern. Ein die Luft durchsetzender Staub tauchte
hier alles in das Gelb des Bodens – wahrscheinlich die
Reste eines erst vergehenden Staubsturmes. Danach
ging es über Serpentinen zu einer weiteren Hochebe-
ne hinauf und es kamen Wolken in Sicht. Die Böden
waren weniger fruchtbar und die Architektur verwen-
dete wieder mehr Naturstein. Die Steinhäuser werden
angeblich “Assinatain” genannt. Auch die Kleinstadt
Khamer hat vorwiegend Steinbauten. Es gab viele
Agaven und vor allem einen riesigen Autofriedhof mit
unzähligen Wracks, was bei der Fahrweise mancher
Jemeniten und den Straßenverhältnissen kein Wunder
war. Wir sahen auch mehr als einmal große verbeulte
Tanks, die auf Pfeilern von lose übereinander getürm-
ten Steinen aufgeständert, die als niedrige Wasserbe-
hälter genutzt wurden. Mitunter war auf ihnen noch
die alte Aufschrift des Tankwagens erkennbar. Auch im
Raum um Khamer gab es Terrassenfeldbau.
Zum Teil ist das Gelände flach geneigt, so dass die
Terrassen relativ großflächig angelegt werden konn-
ten. Im Fall von Regen will man das Wasser jeden-
falls auf den Feldern halten. In einigen Fällen sah es
so aus, als hätte man die Böden mit Steinplatten be-
legt, eine Technik, die Verdunstung des darunterlie-
genden Bodens am Tag und bei extremer Trockenheit
zu reduzieren? Sie wird jedenfalls in Teilen Chinas
angewendet. Im freien Land stehen viele kleine und
größere Kakteen, die teilweise die Form von sich win-
denden Schlangen haben. Über die abgeernteten
Felder trieben die Hirten ihre Schafherden. Auch hier
standen immer wieder Rundtürme aus Lehm. Wir be-
obachteten Kat-Pflücker mit ihren Krummdolchen und
Gewehren sowie Kalaschnikows.
Ich fertigte eine Lageskizze an, fotografierte etliche
Partien der Felsgravuren, dann ging es zurück nach
Garia. Wir hatten Glück und trafen gleich auf ein
Taxi, das uns nach Sanaa mitnahm.
Sonntag, den 5.1. fuhren wir von Sanaa mit einem
Sammeltaxi nach Norden in die Grenzregion zu
Saudi Arabien. Ziel war die Stadt Saada. In einem
Ort schon bald nach Sanaa noch vor Schahab und
der Abzweigung nach Baid Amer und nach Baid
Schaeya blieben wir kurz stehen. Entlang der Strecken
stehen mehrere mittelgroße Schildvulkane, auf die stei-
nerne Wohntürme bis hinauf gebaut wurden. Schon
kurz vor Amran fiel uns dann auf, dass die Architektur
stärker von der Stein- zur Lehmbauweise wechselt.
Lehmbauten sind weniger kantig, haben weiche, ab-
gerundete Bauformen und den Reiz der mit den Hän-
den modellierten Lehmformen, die oft durch sehr gefühl-
voll gesetzte Farbigkeit und Bemalungen unterstrichen
wird. Wir passierten die Stadt mit dem Namen Jowb
auf einem Hügel; hier lag viel Staub in der Luft wo-
durch der Eindruck von Dunst oder Nebel entstand.
Auffallend viele Rundtürme, wohl ehemalige Beobach-
tungstürme trugen hier kleine, gestreckte, rechtwinkeli-
ge Paläste auf der Spitze oder die Reste von solchen.
Wir konnten sie in unterschiedlicher Entfernung von der
Straße aus während der Fahrt beobachten. Auch hier
wurden in der Landwirtschaft Höckerrinder aus Indien
eingesetzt. Erstaunlich war die Verwendung eines Esels
zum Ziehen eines Pfluges. In der Regel wurden hölzer-
ne Einbaum-Pflüge hierfür im Jemen verwendet. Der
Boden schien in dieser Region relativ fruchtbar und
an manchen Stellen sogar eine natürliche Feuchtigkeit
aufzuweisen. Für die meisten landwirtschaftlichen Flä-
chen waren aber Bewässerungssysteme notwendig.
Es wurde hier viel Getreide angebaut.
Abb. 214
Reizvolle farbige Gestaltung
von Bauten südlich der Stadt
Saada.
Jemen
Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Titel
- Jemen
- Untertitel
- Traumhafte Bauten, Wilde Landschaften
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-670-3
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 308
- Schlagwörter
- Vorderasien, arabische Halbinsel, Sanaa, Aden, Architektur
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen 7
- Einige Tage Ägypten 17
- Reise durch den Jemen 29
- Altstadt von Sanaa 33
- Kleidung von Männern und Frauen 42
- Die leichte Droge Kat 56
- Marib 60
- Die Salayman Ibn Dawud Moschee 73
- Säulen und ihre Kapitelle 74
- Flug ins Wadi Hadramaut 78
- Wasserhäuser 84
- Tarim 86
- Türen und ihre hölzernen Fallenschlösser 93
- Vergleich mit Türschlössern auf Tinos 100
- Mausoleum in Al Ghurfa 107
- Schibam 108
- Seiyun 124
- Auskragungen und Vorspanneffekte 133
- Hureida 139
- Hadjarein 142
- Chrecher 142
- Sif 144
- Bienenhaltung in Amphoren 152
- Al Mukalla 157
- Fahrt nach Aden 165
- Aden 168
- Taiz 175
- Saada 195
- Schahara 202
- Fahrt nach Sanaa 209
- Amran 209
- Thulla 213
- Kaukaban 218
- Kuchlan 224
- Al Qurazihah, ein Kral der Tihama 229
- Hodeida 233
- Zabid 236
- Hadjara 242
- Rauda 249
- Baynun 254
- Zurück entlang des Roten Meeres 268
- Siedlungsformen 273
- Bauformen 277
- Architekturdetails 287
- Apendix