Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Seite - 14 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 14 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Bild der Seite - 14 -

Bild der Seite - 14 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text der Seite - 14 -

etwa soll die Kritiker mit Eunuchen verglichen haben, die ĂŒber einen Mann spot- ten, weil er ein buckeliges Kind gezeugt hat.4 Das dem begnadeten Polemiker Heine zugeschriebene Bonmot zeigt exemplarisch, dass in den entsprechenden Kontroversen oft mit harten Bandagen gekĂ€mpft und vor der aggressiven SchmĂ€- hung des jeweiligen Gegners nicht zurĂŒckgeschreckt wird. „[J]ener parasitĂ€ren Kategorie Mensch“, „die wie winzige Milchegel an den Zitzen der Kunst hĂ€ngen“, konnte auch der 2005 verstorbene österreichische Schriftsteller Wolfgang Bauer wenig abgewinnen: „Am unteren Ende“ der „gefrĂ€ĂŸigen Traube, die sich von der Kunst ernĂ€hrt“, „baumeln und saugen die Kritiker“.5 Die höhnische Abwertung der Kritiker erhĂ€lt aber zugleich die Andeutung einer positiven, ja notwendigen Funktion der attackierten Spezies: „Sie sind unruhig wie kleine Kinder; wĂ€hrend sie ihre Magermilch schreiend kotzen und auch sonst viel Wind machen, tun sie der Kunst weh. Durch ihr Geschrei machen sie aber viele Leute auf die Kunst auf- merksam.“ 6 Obschon die unter starken Schmerzen gemolkene Kunst im Magen der Kritiker zur sehr viel weniger schmackhaften „Magermilch“ verkommt, deutet sich in Bauers provokanter Fabel doch ein symbiotischer Gewinn aus dieser vorderhand asymmetrischen Beziehung an. Aller GeringschĂ€tzung zum Trotz war ihm durch- aus bewusst, dass das Greinen der Kritiker fĂŒr die ‚Ökonomie der Aufmerksamkeit‘ (Georg Franck) im literarischen Feld ein nicht unwesentliches Element darstellt. Die Verachtung der Literaturkritik ging und geht bei vielen Autorinnen und Autoren mit einer nicht unerheblichen SensibilitĂ€t fĂŒr deren EinschĂ€tzun- gen einher, hĂ€ngen alle „KĂŒnstler“ doch, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu betont hat, so stark wie „[n]ur wenige soziale Individuen“ „in dem, was sie sind, und in ihrem Bild von sich selbst von der Vorstellung ab, die sich die anderen von ihnen machen“.7 Ganz in diesem Sinne hat Max Frisch in seiner 4 Vgl. Franz Schuh: All you need is love. Notizen und Exzerpte zur (Literatur-)Kritik. In: F. S.: SchreibkrĂ€fte. Über Literatur, GlĂŒck und UnglĂŒck. Köln: DuMont 2000, S.  24 – 114, hier S.  34 f.; auch in: Lauter Worte ĂŒber Worte. Runde und spitze Gedanken ĂŒber Sprache und Literatur. Hg. v. Christoph Gutknecht. MĂŒnchen: C. H. Beck 1999, S.  125. Leider bleiben Schuh und Gutknecht eine Quellenangabe schuldig. 5 Wolfgang Bauer: Manche KĂŒnstler sind Dichter. In: 25  Jahre Residenz Verlag. Zeitgenössische Literatur. Literatur fĂŒr Zeitgenossen. Almanach fĂŒr Literatur und Kunst 1981. Salzburg, Wien: Residenz 1981, S.  29 – 34, hier S.  30; auch in: W. B.: Werke in sieben BĂ€nden. Hg. v. Gerhard Melzer. Bd.  6: Kurzprosa, Essays und Kritiken. Mit einem Nachwort v. Rolf Schwendter. Graz, Wien: Droschl 1997, S.  97 – 99, hier S.  97. Zum Kontext vgl. Hermann Schlösser: „Milchegel an den Zitzen der Kunst“. Autoren als Gegner der Literaturwissenschaft. In: Konflikte  – Skandale  – Dichterfehden in der österreichischen Literatur. Hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler. Berlin: Erich Schmidt 1995, S.  280 – 290, bes. S.  288 – 290. 6 Bauer: Milchegel an den Zitzen der Kunst (Anm.  5), S.  30. 7 Pierre Bourdieu: KĂŒnstlerische Konzeption und intellektuelles KrĂ€ftefeld. In: P. B.: Kunst und Kultur. Kunst und kĂŒnstlerisches Feld. Schriften zur Kultursoziologie 4. Hg. v. Franz Schultheis u. Stephan Egger. Berlin: Suhrkamp 2015, S.  7 – 49, hier S.  17. „Schreiben ist ein FĂŒnfkampf“: Eine Art Einleitung14 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
zurĂŒck zum  Buch Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf