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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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hier die doppelte BegrĂŒndung von Handkes Verteidigungsbegehren deutlich: zum einen der Wunsch, durch entsprechende Hinweise eine adĂ€quate (und wert- schĂ€tzende) Interpretation der eigenen Texte zu gewĂ€hrleisten, die die Urteile der „verlogen und leichtfertig“ agierenden Kritiker nachhaltig korrigiert; zum anderen die Idee einer Richtigstellung, die ĂŒber das konkrete Buch und die Per- son Handkes hinaus geht und den grĂ¶ĂŸeren Zusammenhang zeitgenössischer Literatur und nicht zuletzt die Frage im Blick hat, welche MaßstĂ€be kritisch- analytischer Bewertung dieser Literatur angemessen wĂ€ren. Umgehend antwortete Unseld am 22.  Juni 1966 seinem Autor, dessen erstes BĂŒhnenstĂŒck Publikumsbeschimpfung zwei Wochen zuvor in Frankfurt unter der Regie von Claus Peymann Premiere gefeiert und Handkes Rolle als aufsehen- erregender rising star der Gegenwartsliteratur befestigt hatte, und riet ihm  – wie ein Jahr danach Thomas Bernhard in der Causa Verstörung  – mit Nachdruck von seinem Vorhaben ab: „Es ist völlig sinnlos, auf Kritiken direkt zu reagieren.  [
] Ich möchte Ihnen also dringend raten, ja, ich flehe Sie an, nichts gegen diese Kritiken zu schreiben, am besten ĂŒberhaupt nicht auf sie zu reagieren  [
].“ 132 Unselds beschwichtigender Appell sollte jedoch weitgehend folgenlos verhallen: Zwar verfasste Handke in der Folge keinen „‚großen‘ Artikel gegen all diese Kri- tiker“, wie er ihn seinem Verleger zuvor noch in Aussicht gestellt hatte  – besten- falls wĂ€re der Essay Marcel Reich-Ranicki und die NatĂŒrlichkeit (1968) als ein solcher zu verstehen  –, er replizierte allerdings in den nĂ€chsten Jahren wieder- holt in Leserbriefen und paratextuellen Kommentaren auf negative Urteile der Literaturkritik. Sehr viel expliziter als Bernhard nutzte Handke diese Erwide- rungen dabei nicht nur zur aggressiven Verteidigung seines Textes  – in einem Brief an Unseld sollte Bernhard Mitte der 1980er Jahre seine BĂŒcher als „Kinder“ bezeichnen, die von ihrem „literarischen Vater[  ]“ vor „grober Misshandlung zu schĂŒtzen“ seien  –,133 sondern er verwendete sie auch zur forcierten Propagierung seiner literarischen Praxis sowie seiner poetologischen Position. Die am 11.  Juli 1966 erschienene Rezension von Jakov Lind ĂŒber die Hornissen parierte Handke in einer Vorbemerkung zum Abdruck des ersten Kapitels aus dem fĂŒr 1967 angekĂŒndigten zweiten Roman Der Hausierer in der Zeitschrift Akzente mit souverĂ€ner Geste: Lind hatte Handkes DebĂŒtroman im Spiegel bescheinigt, sich in „pedantisch aufdringlichen Beschreibungen von Details“ zu der die Hornissen betreut hatte (vgl. den Kommentar ebd., S.  37, Anm.  3). 132 Unseld an Handke, 22. 6. 1966. In: ebd., S.  39. 133 Bernhard an Unseld, 19. 11. 1984. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  16), S.  713. Vgl. zu dieser Konstellation Götze: „Mit allen Anzeichen der Empörung“ (Anm.  33), S.  62, sowie bereits Bernhards Brief an Unseld vom 23. 2. 1980. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  16), S.  588: „Der Roman soll auch heuer gar nicht veröffentlicht sein, ich beschwörte mutwillig ein Massaker, in welchem sich meine Kinder gegenseitig umbringen, herauf.“ „ich kann mich damit schwer abfinden“: Kritik der Kritik als Werkpolitik56 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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