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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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sein schriftstellerisches Ethos, sei das „Erzählen“ doch, wie es im Versuch über die Müdigkeit (1989) heißt, die „ursprünglich am meisten von Meinungen freie[  ], weitherzigste[  ] Weise zu reden“.68 Mit Nachdruck hat sich Handke gegen die „heteronomen Zwänge[  ], die auf die künstlerischen Felder heute seitens des journalistischen Feldes und des Fel- des der Macht einwirken“,69 zur Wehr zu setzen versucht, hat darauf insistiert, die ‚Geistlosigkeit‘70 der journalistischen Meinungsführer von der sprachlichen Sensibilität literarischen Erzählens zu unterscheiden. Obgleich seine Reflexionen zu diesem Komplex mitunter apodiktisch anmuten und einen gewissen Hang zur polemischen Zuspitzung verraten,71 zeigen sie dessen ungeachtet ein hohes Problembewusstsein für den Status literarischen Schreibens und sprachlicher Weltaneignung in der Informations- und Mediengesellschaft des späten 20. bzw. frühen 21.  Jahrhunderts. Immer wieder sind Handkes Invektiven gegen den Ein- bruch journalistischer Verfahren ins Literarische zudem mit dem Vorwurf an die Schriftsteller verknüpft, als ‚geschäftige‘72 und ‚geschäftstüchtige‘ Autoren hetero- nomen Prinzipien zu folgen und ihr Schreiben, auf bessere Marktchancen und 68 Peter Handke: Versuch über die Müdigkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989, S.  29. Zur Stel- lung des ersten Versuchs im Werkzusammenhang vgl. Dominik Srienc: „Aber das Schreiben war Existenz non plus ultra“. Peter Handke, der Bleistift und der Versuch über die Müdigkeit. In: Peter Handke. Stationen, Orte, Positionen. Hg. v. Anna Kinder. Berlin, Boston: de Gruyter 2014, S.  153 – 171. 69 Wolf: Autonomie und/oder Aufmerksamkeit? (Anm.  13), S.  63, mit Bezug auf Bourdieus Litera- tursoziologie. Vgl. auch ebd., S.  49, über „Handkes offensichtliches Ansinnen, den  […] wach- senden Einfluss des journalistischen Feldes auf andere, vordem autonomere Felder kultureller Produktion zu konterkarieren“, sowie sein Bestreben, „der Funktionsweise des immer stärker ausschließlich den Anforderungen eines homogenisierenden Massenmarktes unterworfenen journalistischen Feldes ein konträres künstlerisches Kalkül entgegenzusetzen, das auf Auto- nomie pocht“. 70 Vgl. Peter Handke: Am Felsfenster, morgens. In: manuskripte 27 (Oktober 1987), H.  97, S.  3 – 9, hier S.  9: „Nichts Geistloseres als Meinungen“ (10. 5. 1987), zuvor bereits: „Die meisten, die für Zeitungen schreiben, kann ich mir nicht schreibend vorstellen, nur diktierend“ (3. 5. 1987); beide Notate wurden in die Buchfassung des Journals, Am Felsfenster morgens (1998), nicht aufgenommen. 71 Nicht selten geht Handkes Medienschelte in eine umfassende Zivilisationskritik über. Vgl. Thorsten Carstensen: Romanisches Erzählen. Peter Handke und die epische Tradition. Göt- tingen: Wallstein 2013, S.  31 f.: „Handkes Erneuerung der epischen Tradition wird begleitet von einer  – mitunter plakativ übersteigerten  – Kritik an der postmodernen Lebenswelt“, etwa vom Widerstand „[g]egen die Akzeleration des Alltagslebens“. Dazu außerdem Christians: Der Roman vom Epos (Anm.  28), S.  373 f. Auch Ilma Rakusas lesenswerter Essay Lamgsamer! nimmt auf Handkes Poetik Bezug; vgl. Ilma Rakusa: Langsamer! Gegen Atemlosigkeit, Akzeleration und andere Zumutungen. Graz, Wien: Droschl 52008, bes. S.  32 – 34. 72 Vgl. dazu bereits den Mitte der 1960er Jahre gegen Martin Walser erhobenen Vorwurf in Peter Handke: „Bücherecke“ vom 5. 7. 1965. In: P. H.: Tage und Werke (Anm.  21), S.  225 – 232, hier S.  225: „Martin Walser ist unter den jüngeren deutschen Autoren in seinem Metier der geschäftigste.“ Vom Zeitungswahnsinn bedroht 81 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. Einsprüche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wären nicht so viele böse Worte zu verlieren …“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, Verbündete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche Schwätzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der Bühne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der Dürre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres Geschäft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚Natürlichkeit‘ 150
    3. Die „ästhetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses Unglück) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshändige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. Schnüffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der Lektüre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut Färber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke über/mit Ödön von Horváth 259
    7. Keine Axt für das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, Kofferträger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekärer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. Primärliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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