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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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dieses Defizit 1983 im Besonderen den bundesdeutschen Rezensenten und weist zudem darauf hin, dass die Fokussierung vieler Kritiker auf die histoire seiner Texte den Blick auf den discours, auf das „Wie“ seines ErzĂ€hlens verstelle: Ja, was ich schreibe, kann man nur verstehen, wenn man sich klarmacht, daß zuallererst die musikalische Komponente zĂ€hlt und daß erst an zweiter Stelle das kommt, was ich erzĂ€hle. Wenn das erste einmal da ist, kann ich anfangen, Dinge und Ereignisse zu beschreiben. Das Problem liegt im Wie. Leider haben die Kriti- ker in Deutschland kein Ohr fĂŒr die Musik, die fĂŒr den Schriftsteller so wesentlich ist. (TBW 22.2, 250)82 Ähnliche Beobachtungen sollte einige Jahre spĂ€ter, in affirmativem Rekurs auf Bernhard, aber poetologisch deutlich versierter, auch Elfriede Jelinek formulieren: Diese Art Literatur, die sich mit der Sprache selbst beschĂ€ftigt, im Anschluss an den frĂŒhen Wittgenstein und vor allem in der Nachfolge der Wiener Gruppe, der ich samt Artmann, Jandl und Mayröcker eigentlich das allermeiste verdanke, ist typisch österreichisch. Ich habe das GefĂŒhl, die Deutschen verstehen nicht wirklich, was ich schreibe, oder nur wenige von ihnen. Sie haben eine ganz andere literarische Tradition, eben die realistische, erzĂ€hlerische. Als hĂ€tte es nicht schon die Brecht- LukĂĄcs- Realismusdebatte gegeben. Sie erzĂ€hlen immer wieder vor sich hin. Dazu kommt, dass ich Musikerin bin und eher lautlich, musikalisch die Sprache auf ihren Ideologie charakter abklopfe, wie ein Arzt einen Brustkorb.83 Sie habe, so Jelinek, „immer darunter gelitten, dass die Leute an meiner Arbeit nur die OberflĂ€chenstrukturen gesehen haben, sozusagen nur die Melodie, nicht die harmonische Verarbeitung der Melodie“.84 Ganz analog zu Bernhard besteht Jelinek darauf, „eine Zwischenform zwischen Komponieren und Schreiben“ zu betreiben, die bei nicht entsprechend sensibilisierten Lesern  – und man kann diesen ‚Leuten‘ auch hier die Riege der Kritiker zurechnen  – fĂŒr UnverstĂ€nd- nis und Irritation sorge: „Das geht sicher so weit, dass Leute, die sich nie mit Musik beschĂ€ftigt haben, sofern es die ĂŒberhaupt noch gibt, weil sich ja jeder 82 Vgl. dazu auch das Interview mit Werner Wögerbauer aus dem Jahr 1986, wobei man sich der bestĂ€ndigen Ironisierungstendenzen von Bernhards GesprĂ€chsduktus stets bewusst bleiben muss: „Könnte ein deutscher Autor so schreiben? / Na sicher nicht, Gott sei Dank. Die Deutschen sind ja unmusikalisch, das ist ja ganz etwas anderes.“ (TBW 22.2, 290) 83 Andreas Puff-Trojan: „Vielleicht sind ja doch die Alpen schuld“. GesprĂ€ch mit Elfriede Jelinek. In: Frankfurter Rundschau, 13. 10. 2004. 84 Frido HĂŒtter: „Ich schulde so vielen so vieles“. NobelpreistrĂ€gerin Elfriede Jelinek ĂŒber die Hoffnung auf RĂŒckkehr zur NormalitĂ€t und den Zusammenhang von Text und Musik. In: Kleine Zeitung, 10. 10. 2004. Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik86 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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