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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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ErzĂ€hlung gerade dies zum Vorwurf: Der Kritiker sei darauf aus gewesen, ihn als Schreibenden zu ‚vernichten‘. „Es gab eine Zeit, in der ich von konvulsivischem Widerwillen befallen wurde, sobald dieser Mann nur in Erscheinung trat. Er hat ĂŒber Jahre versucht, mich zu vernichten. Er hatte die Illusion, das zu können.“ 197 Im GesprĂ€ch mit AndrĂ© MĂŒller hat Handke auf diese Erfahrung existentieller Bedrohung mit nicht eben feiner Klinge reagiert, was Reich-Ranicki wenige Jahre spĂ€ter in seiner Autobiographie, wohl nicht ganz zu Unrecht, als ungebĂŒhrliche Entgleisung auffassen sollte: „Was in der Literatur herumkrabbelt, das möchte man alles vernichten“,198 lautet der Satz, mit dem Handke das GesprĂ€ch auf die entsprechende Passage der Lehre der Sainte-Victoire und die Person des Kritikers lenkte; und gleich darauf: „Ich kenne viele, die finden ihn amĂŒsant. Die haben gar keinen Stolz. Die sagen, wenn der einmal stirbt, wird man das sehr bedauern. Dem kann ich nun nicht beipflichten.“ 199 Die Imagination des toten Kritikers, der in der deutschen Literatur bekannt- lich zahlreiche weitere „MordlĂŒste“ und „TodeswĂŒnsche“ folgen sollten,200 findet sich bereits in der Lehre der Sainte-Victoire selbst, wissen doch die beiden Kon- trahenten, Mensch und Hund, ab einem bestimmten Zeitpunkt, dass sie „auf ewig Todfeinde“ sein wĂŒrden: „[J]a, jetzt trachtete er mir nach dem Leben; und auch ich wollte mit einem Machtwort ihn tot und weg haben.“ 201 Der ErzĂ€hler fĂŒhlt sich „[s]prachlos vor Haß“, aber „zugleich schuldbewußt“, weil er „[f]ĂŒr das, was [er] vorhabe“, nicht hassen dĂŒrfe 202  – ist sein „Ideal“ doch, wie er im weite- ren Verlauf der Lehre formuliert, „seit je der sanfte Nachdruck und die begĂŒti- gende Abfolge einer ErzĂ€hlung“.203 Bei einem erneuten Weg ĂŒber den Berg ist der 197 MĂŒller: Im GesprĂ€ch mit Peter Handke (Anm.  112), S.  65. 198 Ebd., S.  88. 199 Ebd., S.  89. Vgl. Reich-Ranicki: Mein Leben (Anm.  52), S.  446: „Meinen Tod wĂŒnschte auch Peter Handke, jedenfalls wĂŒrde er ihn nicht bedauern: In seinem aus dem Jahr 1980 stammen- den Buch ‚Die Lehre der Sainte-Victoire‘ stellt er mich als bellenden und geifernden ‚Leithund‘ dar, ‚in dem sich gleichsam etwas Verdammtes umtrieb‘ und dessen ‚Mordlust‘ vom Getto noch verstĂ€rkt worden war.“ Vgl. dazu Anm.  28 – 30. 200 Daniela Strigl: Platzanweiser im circus maximus? Traum und Wirklichkeit der Literatur- kritik. In: Literatur und Kritik (2001), H.  353/354, S.  24 – 30, hier S.  27. Auf die diversen „lite- rarischen Phanta sien vom Tod des gehassten Kritikers“ Marcel Reich-Ranicki, von Helmut HeißenbĂŒttel ĂŒber Martin Walser bis Christa Reinig, verweisen Anz: Marcel Reich-Ranicki (Anm.  15), S.  150 – 155, Zit. S.  151, und Wittstock: Marcel Reich-Ranicki (Anm.  15), S.  251 – 253. 201 Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire (Anm.  10), S.  60. 202 Ebd., S.  60 f. 203 Ebd., S.  99. Vgl. dazu auch Handkes Äußerung in Krista Fleischmann/Peter Handke: Ein GesprĂ€ch ĂŒber das Schreiben und die Kindergeschichte. In: Die Rampe (1981), H.  2, S.  7 – 15, hier S.  9 f.: „Wie ich schon in der ‚Langsamen Heimkehr‘ geschrieben habe, ich glaube an die Geschichte als eine friedensstiftende Form.  [
] Ich will die Geschichte der friedlichen Menschen schreiben, daraus die Kraft gewinnen.“ „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki184 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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