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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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man ĂŒbertreiben mĂŒsse. Ein Dichter muß strukturieren, erkennen, gliedern und ins Offene gehen.“ 277 Dem Bernhard’schen Konzept des fortwĂ€hrenden Über- treibens stellt Handke, in affirmativem Bezug auf die Poetik Friedrich Hölderlins und dessen Fragment gebliebene Elegie Der Gang aufs Land. An Landauer, eine ganz andere Vorstellung von Literatur gegenĂŒber.278 Wenngleich spĂ€t, entwickelte doch auch Bernhard seinerseits eine gewisse Sympathie fĂŒr Reich-Ranicki. Am 18.  Januar 1986 gratulierte er dem Kritiker in einer Postkarte aus Madeira zu einem tags zuvor in der FAZ erschienenen Auf- satz ĂŒber Erika Mann: „Dem Haßenden muß erlaubt sein, ebenso stark zu lieben: nach LektĂŒre von ‚Th. Manns treue Tochter‘ beide, das Meisterwerk u. seinen Meister. Vergebung voraussetzend, Thomas Bernhard“.279 Zwar bleibt durch die aphoristische KĂŒrze der Nachricht im Dunkeln, ob die Liebe des „Haßenden“, mit dem vermutlich der Briefschreiber selbst gemeint ist, nun Thomas Mann oder dem Adressaten gilt und wofĂŒr konkret er um „Vergebung“ bittet; dass Bernhard die freundlichen Zeilen aber gerade an jenem Tag verfasst, an dem er einen seiner berĂŒchtigten SchmĂ€hbriefe an Siegfried Unseld schickt  – „verlegerische Katastrophe“, „proletarische[r], stumpfsinnige[r] MĂŒll“, „StupiditĂ€tsrekord“ 280  –, wirft ein bezeichnendes Licht auf Bernhards Sympathiemanagement, zumal die beiden Postsendungen die Frankfurter Redaktion und den Frankfurter Verlag wohl zur gleichen Zeit erreichten. Gleichwohl beantwortete Bernhard im Jahr darauf im GesprĂ€ch mit Asta Scheib die Frage, ob er ein „HochgefĂŒhl“ verspĂŒre, „wenn Kritiker wie Reich- Ranicki oder Benjamin Henrichs bewundernd ĂŒber Sie schreiben“, abschlĂ€gig: Bei Kritiken habe ich nie mehr ein HochgefĂŒhl. Am Anfang ja, weil man diese Dinge alle glaubt. Wenn man aber dreißig Jahre lang dieses Auf und Ab erlebt, dieses Heim- zahlen von Schuld, dann durchschaut man die Mechanismen. Da schickt einer seinen Diener und sagt dem: „Da will ich eine negative Kritik.“ So geht das. (TBW 22.2, 336) 277 Lothar Schmidt-MĂŒhlisch: Peter Handke: Ich denke wieder an ein ganz stummes StĂŒck. In: Die Welt, 9. 10. 1987. 278 Zu den BezĂŒgen von Handkes Schreiben zu Hölderlins „Komm, ins Offene, Freund“ vgl. Albes: ErzĂ€hlen  – Argumentieren  – Beschreiben (Anm.  189), S.  395, sowie ausfĂŒhrlich Hans Höller: Eine ungewöhnliche Klassik nach 1945. Das Werk Peter Handkes. Berlin: Suhrkamp 2013. 279 Thomas Bernhard an Marcel Reich-Ranicki, 19. 1. 1986. In: Deutsches Literaturarchiv Mar- bach, Handschriftensammlung, A: Reich-Ranicki, HS.2003.0002.00153. Bernhard bezieht sich auf den folgenden Aufsatz des Kritikers: Marcel Reich-Ranicki: Thomas Manns treue Tochter. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 1. 1986. FĂŒr die Genehmigung zum Abdruck danke ich Peter Fabjan. 280 Bernhard an Unseld, 19. 1. 1986. In: Bernhard/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  151), S.  743. Es handelt sich um Bernhards Polemik gegen die Herausgabe von Marianne Fritz’ Roman Dessen Sprache du nicht verstehst. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki200 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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