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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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fĂŒr die MĂŒnchner Abendzeitung (August 1967) oder den Briefwechsel zwischen Ludwig Wittgenstein und Ludwig von Ficker fĂŒr die NĂŒrnberger Nachrichten (Dezember 1969).32 Viel stĂ€rker als Bernhard, der seine TĂ€tigkeit als Redak- teur des Demokratischen Volksblatts zum Zeitpunkt seines schriftstellerischen Durchbruchs lĂ€ngst aufgegeben hatte und spĂ€ter nur noch einmal als ‚Kritiker‘ auftrat, brachte sich Handke parallel zu seinen ersten literarischen Erfolgen selbst als Rezensent ein. Er erprobte Formen und Möglichkeiten literatur- und filmkritischen Schreibens  – freilich stets mit dem Vorbehalt, nicht als Profi oder SachverstĂ€ndiger in diesem Bereich zu agieren bzw. agieren zu wollen: „Aber ich bin kein Kritiker“, lautet die einschlĂ€gige Formel, die der Autor 1967 an das Ende eines offenen Briefs an Henning Rischbieter, den Herausgeber der Zeitschrift Theater heute, gesetzt 33 und noch 40  Jahre spĂ€ter im GesprĂ€ch mit Michael Kerbler rekapituliert hat: „[I]ch bin ja kein Journalist, ich bin auch kein Historiker, ich bin ein Schreiber oder Schriftsteller, wie auch immer Sie das nennen“.34 Diese Rhetorik der distinktiven Positionierung, der Betonung der Nicht-Zugehörigkeit, ist fĂŒr Handkes erfolgreiche Durchsetzung im litera- rischen Feld von entscheidender Bedeutung; nicht als Kritiker wahrgenommen zu werden, war ihm ein großes Anliegen. Gleichwohl spielt die „Arbeit des Rezensierens“, die er wiederholt als eine schwierige, ihm bis zu einem gewissen Grad fremde beschrieben hat,35 fĂŒr Handkes Werkpolitik, zumal in den frĂŒhen Jahren, eine zentrale Rolle  – auch im Sinne einer VerstĂ€ndigung ĂŒber poeto- logische Fragen. Dabei zeigt sich erneut, dass die „polemischen Absetzbewe- gungen“ Handkes,36 in diesem Fall jene von den Methoden der Literaturkritik, stets in Verbindung mit seinen Reflexionen ĂŒber das eigene Schreiben, ĂŒber die eigene literarische Praxis stehen. 32 Vgl. Peter Handke: Loch im Kopf. Der Erfolgsautor rezensiert eine Drogen-Dokumentation. In: Abendzeitung, 25. 8. 1967 („Wieder einmal zeigt sich, daß man ĂŒber Rauschgift nicht lesen kann: Man muß es NEHMEN“); ders.: „Ein Buch fĂŒrs Leben“. Über die Briefe zwischen Ludwig Wittgenstein und Ludwig von Ficker. In: NĂŒrnberger Nachrichten, 23. 12. 1969. 33 Peter Handke: Briefe ĂŒber Theater (1). In: Theater heute (1967), H.  2, S.  37. 34 
 und machte mich auf, meinen Namen zu suchen. Peter Handke im GesprĂ€ch mit Michael Kerbler. Klagenfurt: Wieser 2007, S.  29. Vgl. auch Peter Handke im GesprĂ€ch mit Brita Steinwendtner [Ö1, 1987]. In: Im GesprĂ€ch. Peter Handke 1987 2012. Interviews mit Wolfgang Hofer, Brita Steinwendtner u. Michael Kerbler. 2 CDs. [Wien]: ORF 2012, CD 1, Track 20, 01:54 – 02:03: „[M]ir zumindest hilft das Gehen, damit ich die Anschauung wiedergewinne, ohne die ich ĂŒberhaupt nicht schreiben könnt’, sonst wĂ€r’ ich ein Kritiker oder irgend so ein anderer Heini“. 35 Peter Handke an Hermann Lenz, 7. 10. 1986. In: P. H./H. L.: Berichterstatter des Tages. Briefwech- sel. Hg. u. mit einem Nachwort v. Helmut Böttiger, Charlotte Brombach u. Ulrich RĂŒdenauer. Mit einem Essay v. Peter Hamm. Frankfurt a. M.: Insel 2006, S.  221. 36 Rolf G. Renner: Peter Handke. Stuttgart: Metzler 1985, S.  24. „Aber ich bin kein Kritiker“ 227 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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