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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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„Jede Geschichte von Thomas Bernhard sei“, zitiert Handke im Vorwort zum Band Der gewöhnliche Schrecken (1969) eine eigene Äußerung, „eine Schreckens- geschichte, eine Horror-Geschichte, die aber den Schrecken nicht zu etwas Beson- derem, etwas literarisch Genießbarem verniedliche, sondern von ihm als von etwas Gewöhnlichem, AlltĂ€glichem rede.“ 119 Handkes Respekt vor dem Nicht-Genieß- baren von Bernhards Poetik  – er sollte spĂ€ter in das genaue Gegenteil und den Vorwurf allzu großer Bekömmlichkeit umschlagen 120  – grĂŒndet hier ganz wesent- lich auf der WertschĂ€tzung eines literarischen Verfahrens: Als Resultat der von Handke beschriebenen literarischen Konstruktionsleistung entstehen Texte, die dem Leser eine neue Form der Erschließung der Welt ermöglichen, wobei, mit John Cages berĂŒhmter Lecture on nothing gesprochen, die Struktur des Sprechens und Schreibens nicht nur intellektuell erfassbar, sondern auch emotional erlebbar wird: „Sie haben soeben“, heißt es in Ernst Jandls Cage-Übersetzung, „die Struktur dieses Vortrags erlebt.“ 121 Erneut korrespondiert hier Handkes literarische Ambition mit den Kriterien seines literaturkritischen Schreibens, wie ein Beispiel aus unmittelbarer zeit- licher NĂ€he verdeutlichen soll: Wenn er in einer poetologischen Skizze zum Roman Der Hausierer, der wie Bernhards Verstörung 1967 erschien, angibt, er habe die „schemata des schreckens“ im Kriminalroman „wieder erlebbar“ machen wollen,122 sind die Parallelen zwischen Handkes Anspruch an seine eigenen Arbeiten und seinen Forderungen an die Texte anderer evident: Hier wie dort geht es nicht nur darum, erzĂ€hlerische Automatismen und literarische Klischees als „darstellungsschema[ta]“ zu entlarven, sondern auch darum, die „erlebnisschema[ta]“ 123 bei der LektĂŒre zu subvertieren, zu unterlaufen und damit sichtbar zu machen. 119 Peter Handke: [Vorwort]. In: Der gewöhnliche Schrecken. Horrorgeschichten. Hg. v. P. H. Salz- burg: Residenz 1969, S. [5]. Das Buch enthĂ€lt u. a. Bernhards ErzĂ€hlung Midland in Stilfs, die 1971 im gleichnamigen ErzĂ€hlband erneut abgedruckt wurde, zudem Texte von Peter Bichsel, Elfriede Jelinek, Friederike Mayröcker und zahlreichen weiteren Autorinnen und Autoren. 120 Vgl. etwa Peter Handke: Aber ich lebe nur von den ZwischenrĂ€umen. Ein GesprĂ€ch, gefĂŒhrt von Herbert Gamper. ZĂŒrich: Ammann 1987, S.  93: „Ich möchte jetzt nicht gegen Thomas Bernhard herziehen, aber wenn man liest, wie er seine Suggestionssuade herstellt: da ist ĂŒber- haupt kein Problem mehr von ErzĂ€hlen, kein Problem des Gegenstands mehr, vor allem kein Problem eines Übergangs mehr  – weder zwischen den RĂ€umen, zwischen einem Raum und dem anderen, noch zwischen den Zeiten, noch zwischen Personen  –, weil alles ein rhetorischer Fertigbau ist.“ 121 John Cage: Silence. Aus dem Amerikanischen v. Ernst Jandl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987, S.  12. 122 Peter Handke: Über meinen neuen Roman Der Hausierer. In: Dichten und Trachten 29 (1967), S.  27 – 29, hier S.  28. 123 Ebd. (Herv. im Orig.). Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 245 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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