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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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von Beatmusik unterstĂŒtzten Lesungen einen Namen gemacht hatte, erkannte oder ob sie den jungen Autor nur aufgrund seines Aussehens mit der britischen Band assoziierte, geht aus Handkes Text allerdings nicht hervor. Er ist aufgrund seiner pointierten, gegen schriftstellerisches ‚Engagement‘ im herkömmlichen Sinn argumentierenden Interpretation von John Lennons Revolution nicht nur eine erneute Provokation gegen die politisch-Ă€sthetischen Dogmen der 68er- Bewegung,154 sondern er stellt auch einen weiteren Versuch Handkes dar, das Schreiben ĂŒber kulturelle Artefakte neu zu konzipieren. Die Spannung zwischen Beschreibung und Analyse ist dafĂŒr, wie schon in anderen FĂ€llen, von konsti- tutiver Bedeutung. Wenn Handke in seinem Beatles-Text, der manche Aspekte der frĂŒheren Radiofeuilletons Der Rausch durch die Beatles (1964) und Von der Schwierigkeit, einen Schlagertext zu schreiben (1965) aufgreift,155 davon schreibt, man mĂŒsse auf „die ÜbergĂ€nge zwischen den einzelnen Songs“ achten,156 so wird erneut Folgen- des deutlich: Die konkrete Wahrnehmungssituation des Rezensenten spielt fĂŒr Handkes kritisches Schreiben eine zentrale Rolle. Dabei ist die Schilderung des individuellen, subjektiven Kunst- bzw. Hörerlebnisses stets eine Aufforderung, ein Angebot an die Leserinnen und Leser der Rezension, ihre eigenen Erfah- rungen mit dem jeweiligen Ă€sthetischen Artefakt, sei es ein Buch, ein Film oder ein MusikstĂŒck, zu machen (und diese womöglich selbst mit anderen zu teilen, um ein umfassendes GesprĂ€ch ĂŒber Kunst und ihre Bedeutung zu initiieren bzw. 154 Vgl. ebd. die Passage: „Vor allem wegen des Songs ‚Revolution‘, den John Lennon geschrieben hat, sind die Beatles von den RevolutionĂ€ren, die bis dahin auf die Songs der Beatles hörten, geschmĂ€ht worden. In ‚Revolution‘ wird den RevolutionĂ€ren geraten, erst einmal sich selber zu Ă€ndern.“  – Vgl. dazu schon Handkes Bemerkung im Rundfunkfeuilleton Von der Schwierig- keit, einen Schlagertext zu schreiben (1965): „Die Beatles lehnen soziales oder rassisches oder kulturkritisches Engagement ab. Ihre Lieder sind ganz ohne AttitĂŒde, ohne vorbedachten Welt- bezug, ohne Gemeinschaftsfanatismus wie etwa die Songs der amerikanischen Folksinger, die sich betont anti geben. Die Songs der Beatles sind gesellschaftlich durch ihre Wirkung, durch die Fröhlichkeit und die Melancholie, die sie in andern erzeugen.  [
] Paul McCartney, der gemeinsam mit John Lennon bei den Beatles die Lieder schreibt, antwortet auf die Frage, was er von den amerikanischen Protestsongs halte, er kenne keine Protestsongs, er kenne nur gute und schlechte Songs.“ (Peter Handke: Von der Schwierigkeit, einen Schlagertext zu schreiben. [1965] In: protokolle (1973), H.  2, S.  182 – 186, hier S.  185) 155 Vgl. Peter Handke: Der Rausch durch die Beatles. [1964] In: Ver sacrum. Neue Hefte fĂŒr Kunst und Literatur 5 (1974), S.  114 – 117 (hier die wohl falsche Jahresangabe „1965“); Handke: Von der Schwierigkeit, einen Schlagertext zu schreiben (Anm.  154), S.  184 – 186; Der Rausch durch die Beatles war 1964 das erste „Funkfeuilleton“ fĂŒr das Radio Steiermark; „das Thema“ hatte sich Handke, so Holzinger: Peter Handkes literarische AnfĂ€nge in Graz (Anm.  3), S.  17, „selbst gewĂ€hlt“, „das Manuskript geriet zu einer emotional gefĂ€rbten Verteidigung“ der von ihm verehrten Band. Zum Feuilleton Von der Schwierigkeit, einen Schlagertext zu schreiben vgl. die Bemerkungen ebd., S.  18. 156 Handke: John Lennon sagte (Anm.  151). Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik252 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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