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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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ein Kritiker, sehr gute Filme könne man nur beschreiben“, zitiert Handke gleich im ersten Satz seiner Buchbesprechung den von ihm bewunderten FĂ€rber.177 Im Abstand eines Vierteljahrhunderts hat er, in der Laudatio zum Petrarca-Preis, FĂ€rbers Sentenz ĂŒber John Ford erneut als „fundamental[es]“ Beispiel fĂŒr dessen Konzept von Kritik referiert: „‚Nur bei einem sehr guten Film hat man Lust, zu beschreiben. Beschreiben ist etwas ganz anderes als NacherzĂ€hlen. Und fĂŒr Leser, die finden, hier sei ĂŒber einen Film dies und jenes gesagt, aber nicht recht, was er insgesamt ist: Ein schöner Film, den man nicht nur von außen ansehen kann, man kann in ihm herumgehen!‘“ 178 An Jonkes Geometrischem Heimatroman, der heute in der Geschichte osten- tativer Überschreitungen der Romanform neben Friedrich Achleitners quadrat- roman (1973), Andreas Okopenkos Lexikon-Roman (1970) und Oswald Wieners die verbesserung von mitteleuropa (1969) einen festen Platz innehat, lobt Handke, dass es dem Autor gelungen sei, die traditionelle Struktur eines literarischen Textes nicht nur intellektuell versteh-, sondern auch erfahr- und erlebbar zu machen: „Mit diesem Buch kann man also Erfahrungen machen. Erfahrungen zu machen, bereitet VergnĂŒgen: Es ist ein vergnĂŒgliches Buch. Kein neuer Film von Godard, kein neuer Film von Straub im Kino  – man könnte wieder zu lesen anfangen.“ 179 Jonkes Roman biete die „Chance“, so betont der Rezensent, „nicht nur beim Lesen, sondern auch am Lesen VergnĂŒgen zu haben“;180 spĂ€ter setzt Handke die Erfahrung bei der LektĂŒre des Buches mit einem Bild aus Gustave Flauberts ErzĂ€hlung Herodias in Beziehung  – einem Bild, das bei ihm seit der 1965 publizierten Halbschlafgeschichte 181 und bis hinein ins SpĂ€twerk als positi- ver Bezugspunkt literarischen Schreibens auftaucht: „Es könnte einem mit dem Buch ergehen, wie es in einer der Drei ErzĂ€hlungen Flauberts dem Tyrannen ergeht, der nach den MĂŒhen und Plagen des Tages vor dem Palast verstockt auf Verlag brachte“. Im Briefwechsel zwischen Handke und Unseld finden sich jedoch keine Hin- weise auf eine Vermittlung; im RĂŒckblick hat Handke im GesprĂ€ch mit Hamm 2002 Jonke zu jenen Autoren gerechnet, mit denen in frĂŒhen Jahren im Umkreis der Grazer Zeitschrift manuskripte und des Forum Stadtpark „eine Art Freundschaft“ entstanden sei (Peter Handke/ Peter Hamm: Es leben die Illusionen. GesprĂ€che in Chaville und anderswo. Göttingen: Wallstein 22008, S.  143). Anfang 2009 notiert Handke schließlich anlĂ€sslich des Todes von Jonke: „‚Zu SĂ€tzen aufgetĂŒrmte Sinnlosigkeiten?‘  – ‚Nur SĂ€tze? Überraschend gesprenkelt mit Sinn‘ (zum Tod von Gert Jonke)“ (Peter Handke: Vor der Baumschattenwand nachts. Zeichen und AnflĂŒge von der Peripherie. 2007 – 2015. Salzburg, Wien: Jung und Jung 2016, S.  51). 177 Handke: In SĂ€tzen steckt Obrigkeit (Anm.  106), S.  186. 178 Handke: Wie ein Letzter ein Erster (Anm.  125), S.  49. 179 Handke: In SĂ€tzen steckt Obrigkeit (Anm.  106), S.  188. 180 Ebd. 181 Vgl. Peter Handke: Halbschlafgeschichte (Entwurf zu einem Bildungsroman). In: manuskripte (1965), H.  14/15, S.  35 – 36. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 257 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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