Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Seite - 260 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 260 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Bild der Seite - 260 -

Bild der Seite - 260 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text der Seite - 260 -

Handke mit Siegfried Unseld ein Nachwort fĂŒr eine Neuausgabe der Geschich- ten aus dem Wiener Wald in der „Bibliothek Suhrkamp“: „In den letzten Tagen habe ich das Nachwort zu HorvĂĄth geschrieben“, teilt Handke seinem Verleger sodann Anfang Januar 1970 mit, setzt aber gleich einschrĂ€nkend hinzu: „ein Nachwort ist es wohl nicht“,191 was er wenige Tage spĂ€ter noch einmal dezidiert unterstreicht: „NatĂŒrlich kann man es nicht als orthodoxes Nachwort bezeich- nen, aber gerade die genaue Inhaltsangabe liefert, glaube ich, auch eine Ana- lyse der Form und des Aufbaus, mehr als eine ĂŒbliche Analyse.“ 192 Unseld zeigte sich von der „wirklich unorthodox[en]“ Form des Nachworts zwar ĂŒberzeugt, schlug Handke aber  – wohl von der Konsequenz des Textes irritiert  – vor, diesem, „wenigstens in ein paar Zeilen, eine wertende Beurteilung von Dir ĂŒber das Buch“ 193 voranzustellen  – eine Bitte, der Handke nicht nachkommen sollte, da er der Überzeugung war, seine WertschĂ€tzung fĂŒr HorvĂĄth gehe aus dem ‚Nachwort‘ hinreichend hervor: „Nur was man wirklich liebt, kann man so lang und breit beschreiben.“ 194 Im Vergleich zu Als ich „Verstörung“ von Thomas Bernhard las verzichtet Handke in seinem HorvĂĄth-Aufsatz auf die Etablierung einer Sprecherposi- tion außerhalb der Fiktion des behandelten Textes. Beginnt die ‚Beschreibung‘ von Bernhards Roman in der ersten Person Singular („Nachdem ich auf dem Hauptbahnhof in Hannover angekommen war“ 195) und endet mit dem erneuten Hinweis auf die konkrete Situation der LektĂŒre („Ich las und las und las  
“ 196), fĂ€llt eine solche ‚RahmenerzĂ€hlung‘ hier gĂ€nzlich weg. „Handke verzichtet als NacherzĂ€hler vollkommen auf eigene Kommentare, ja selbst auf eigene For- mulierungen, in denen eine Interpretation zum Ausdruck kommen und den Blick auf HorvĂĄths Intentionen verstellen könnte.“ 197 Der Bezug auf HorvĂĄths Reverenz.  – Handkes Einsatz fĂŒr HorvĂĄth trug zur Renaissance und Wiederentdeckung von dessen Werk in deutschen Theatern bei. Bereits zuvor waren fĂŒhrende Akteure des österreichi- schen Literaturbetriebs fĂŒr den nach der ZĂ€sur des Dritten Reichs in Vergessenheit geratenen HorvĂĄth eingetreten: so etwa Hans Weigel in seiner 1957 publizierten Aufforderung, Ödön von HorvĂĄth zu spielen, den mit Handke zwar eine Abneigung gegenĂŒber Bertolt Brecht verband, dies aber weniger aus theaterĂ€sthetischen denn aus politisch-ideologischen GrĂŒnden. Man mĂŒsse, so Weigel, weil HorvĂĄth „keiner Schlagzeilen im Kulturteil unserer Presse fĂŒr wĂŒrdig erachtet“ werde, „außer der Reihe und gegen die AktualitĂ€t“ ĂŒber ihn schreiben (Hans Weigel: Aufforderung, Ödön von HorvĂĄth zu spielen. [1957] In: H. W.: Nach wie vor Wörter. Litera- rische Zustimmungen, Ablehnungen, IrrtĂŒmer. Graz u. a.: Styria 1985, S.  313 – 316, hier S.  313). 191 Handke an Unseld, 9. 1. 1970. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  1), S.  158. 192 Handke an Unseld, 14. 1. 1970. In: ebd., S.  160. 193 Unseld an Handke, 23. 10. 1070. In: ebd., S.  161. 194 Handke an Unseld, 8. 2. 1970. In: ebd., S.  163. 195 Handke: Als ich Verstörung von Thomas Bernhard las (Anm.  98), S.  211. 196 Ebd., S.  216. 197 Gabriel: Peter Handke und Österreich (Anm.  93), S.  89. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik260 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
zurĂŒck zum  Buch Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf