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diesen intratextuellen Transfer als âOsmose zwischen Autobiografie und litera-
rischem Werkâ beschrieben.24
Die Person Freumbichlers spielte schlieĂlich auch fĂŒr den Beginn von
Bernhards TĂ€tigkeit als Journalist im Salzburg der 1950er Jahre eine zentrale
Rolle. Die Kritiken und Feuilletons, die Bernhard ab 1952 fĂŒr das Demokratische
Volksblatt verfasste, verraten eine starke AffinitÀt zum Weltbild und zur literari-
schen Ăsthetik seines GroĂvaters. Bereits Bernhards erster, am 12. Juli 1950 im
Salzburger Volksblatt gedruckter journalistischer Beitrag widmete sich unter dem
Titel Vor eines Dichters Grab dem Andenken Freumbichlers. Ein knapper Monat
zuvor, am 19. Juni 1950, war die ErzÀhlung Das rote Licht unter dem Namen
âThomas Fabianâ (also unter dem Familiennamen seines Vormunds) ebenfalls
im Salzburger Volksblatt erschienen.25 Auch Vor eines Dichters Grab wurde unter
einem Pseudonym veröffentlicht: âNiklas van Heerlenâ, einer Namensbildung aus
dem zweiten Vornamen des Autors und seinem niederlÀndischen Geburtsort.26
In der Rubrik âDie Heimatâ gedruckt â gleich ĂŒber einem Bericht zur Wieder-
eröffnung des traditionsreichen CafĂ© Tomaselli 27Â
â, schildert das kurze Feuilleton
24 Franz M. Eybl: âWenn das Werk lacht, weint der Dichterâ. Thomas Bernhards poetologische
Maskeraden. In: Dichterdarsteller. Fallstudien zur biographischen Legende des Autors im 20.
und 21. Jahrhundert. Hg. v. Robert Leucht u. Magnus Wieland. Göttingen: Wallstein 2016,
S. 157 â 174, hier S. 163.
25 Vgl. TBW 14, 457 â 460. Kurz vor dem Druck seiner ersten literarischen Publikation am 19. 6. 1950
wurde Bernhard erneut in die LungenheilstÀtte Grafenhof eingeliefert. Vgl. Manfred Mitter-
mayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Salzburg, Wien: Residenz 2015, S. 81. â Das Salz-
burger Volksblatt war erst wenige Tage zuvor, am 15. 6. 1950, erstmals nach Kriegsende wieder
erschienen; Grund fĂŒr die nach 1945 zunĂ€chst fehlende Zulassung des Salzburger Volksblatts
war die nazistische Vergangenheit der EigentĂŒmerfamilie der Zeitung gewesen. Vgl. https://
www.sn.at/wiki/Salzburger_Volksblatt (Stand 14. 10. 2020). Das Salzburger Volksblatt diente
vielen ehemaligen NS-Autorinnen und -Autoren, denen nach 1945 Publikationsverbote auf-
erlegt worden waren, als willkommene Möglichkeit, Texte zu veröffentlichen: âIm ersten
Halbjahr (ab Juni 1950) des Wiedererscheinens des âSalzburger Volksblattsâ war praktisch die
gesamte ehemals deutsch-nationale und NS-Schriftsteller-Prominenz mit TextauszĂŒgen ver-
treten. Robert Hohlbaum schrieb einen Nachruf auf Karl Hans Strobl, Bruno Brehm erhielt
einen WĂŒrdigungsbeitrag, Robert Hohlbaum und Heinrich Zillich wurden als Vortragende in
Salzburg begrĂŒĂt, [Erwin Guido] Kolbenheyer wurde gefeiert, ohne daĂ jedoch auf ihre Rolle
einige Jahre zuvor eingegangen worden wĂ€re.â (Karl MĂŒller: ZĂ€suren ohne Folgen. Das lange
Leben der literarischen Antimoderne Ăsterreichs seit den 30er Jahren. Salzburg: Otto MĂŒller
1990, S. 262)
26 Zu Bernhards Pseudonymen in den frĂŒhen 1950er Jahren vgl. Rudolf Habringer: Der Ausweg-
sucher. Ăber Thomas Bernhards AnfĂ€nge als Journalist. In: Thomas Bernhard und Salzburg.
22 AnnÀherungen. Hg. v. Manfred Mittermayer u. Sabine Veits-Falk. Salzburg: Jung und Jung
2001, S. 31 â 40, hier S. 32.
27 Vgl. N. N.: Café Tomaselli wird wieder eröffnet. Salzburgs Àltestes Kaffeehaus. In: Salzburger
Volksblatt, 12. 7. 1950. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 279
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Titel
- Strategen im Literaturkampf
- Untertitel
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Autor
- Harald Gschwandtner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Abmessungen
- 15.7 x 23.9 cm
- Seiten
- 482
- Schlagwörter
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471