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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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„kulturellen RĂŒckwĂ€rtsgang“ 35 eingelegt hatten. Darauf wird im Laufe des vor- liegenden Kapitels genauer zurĂŒckzukommen sein. Auch in der Folge hat Bernhard bei verschiedenen Gelegenheiten, freilich mit ĂŒberschaubarem Erfolg, versucht, die literarische Öffentlichkeit auf Johannes Freumbichler und dessen erzĂ€hlerisches Werk aufmerksam zu machen.36 In einem Artikel ĂŒber den Dichter aus Henndorf in den Wiener BĂŒcherbriefen  – er gab sich auch hier nicht als dessen Enkel zu erkennen  – bedauerte er 1957 erneut, dass selbst Menschen, „die sich heute in Österreich mit Literatur beschĂ€ftigen, oder vorgeben, das zu tun“, den Namen Freumbichlers noch nie gehört hĂ€tten: Das ist durchaus kein Wunder in einer Zeit, in der man sich das Dichten so leicht macht wie das Nudelwalken, in der man ĂŒber Stifter verĂ€chtlich spricht, ohne ihn gelesen zu haben, in welcher man Proust bewundert (mit Recht bewundert!), ohne ihn gelesen zu haben, in welcher man ĂŒberhaupt keine Ahnung hat  – jedenfalls auf der sogenannten literarischen Seite  –, was vor Robert Musil und Hermann Broch passiert ist. Und da ist sehr viel passiert! (TBW 22.1, 573)37 Seine andauernde „Erfolgslosigkeit“ habe den Schriftsteller ebenso gequĂ€lt wie das Bewusstsein „eigene[r] UnzulĂ€nglichkeit“; Freumbichler habe, so Bernhard weiter, sowohl „sehr gute“ als auch „sehr schlechte“ BĂŒcher geschrieben, „[v]öllig danebengegangene und einzig dastehende, unwiederholbare poetische Blöcke“ (TBW 22.1, 570 f.). Die tiefe Sympathie fĂŒr den „außerordentliche[n] Schrift- steller“ Freumbichler, der zeitlebens und auch nach seinem Tod vom Literatur- betrieb „bagatellisiert“ und an den Rand gedrĂ€ngt worden sei (TBW 22.1, 574), wird hier, Mitte der 1950er Jahre, bereits um deutlich kritischere Töne ergĂ€nzt. Bernhard Judex hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Freumbichler-PortrĂ€t 35 Gert Kerschbaumer: Der kalte Krieg gegen die Moderne. In: G. K./Karl MĂŒller: Begnadet fĂŒr das Schöne. Der rot-weiß-rote Kulturkampf gegen die Moderne. Wien: Verlag fĂŒr Gesellschafts- kritik 1992, S.  117 – 204, hier S.  121. 36 Zum „Wunsch“ Bernhards, „den Großvater in der Öffentlichkeit wieder bekannter zu machen“, vgl. Judex: Schreiben in der „Denkkammer“ (Anm.  6), S.  28. Bei Siegfried Unseld hat Bernhard sich wiederholt fĂŒr eine Neuauflage von Freumbichlers BĂŒchern eingesetzt (vgl. Thomas Bernhard/Siegfried Unseld: Der Briefwechsel. Hg. v. Raimund Fellinger, Martin Huber u. Julia Ketterer. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009, S.  523, 525, 640 u.  717). Der zunĂ€chst 1937 im Wiener Zsolnay Verlag veröffentlichte und 1982 bei Ullstein als Taschenbuch gedruckte Roman Philo- mena Ellenhub erschien jedoch erst 2009 in einer kommentierten Neuauflage im Insel Verlag. 37 Vgl. Michael Billenkamp: Provokation und posture. Thomas Bernhard und die Medienkarriere der Figur Bernhard. In: Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart. Hg. v. Markus Joch, York-Gothart Mix u. Norbert Christian Wolf. TĂŒbingen: Niemeyer 2009, S.  23 – 43, hier S.  28: „Bernhards Arbeiten aus den 50er Jah- ren sind von dem Bestreben gekennzeichnet, das Andenken an den von ihm bewunderten Freumbichler zu bewahren.“ „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker282 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Titel
Strategen im Literaturkampf
Untertitel
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Autor
Harald Gschwandtner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Abmessungen
15.7 x 23.9 cm
Seiten
482
Schlagwörter
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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